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Marissa Blumenthal 02 - Trauma

Titel: Marissa Blumenthal 02 - Trauma
Autoren: Robin Cook
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und den Schirm aufzuspannen.
    Den Schirm fest in der Hand, überquerte sie den Platz und schritt die Auburn Street entlang. Trocken blieb sie aber trotzdem nicht. Dafür sorgten einige plötzliche Windböen. Als sie am Ende der Nutting Street in der Frauenklinik ankam, glänzten zahlreiche Regentropfen auf ihrer Stirn, als wäre sie schweißüberströmt. Unter dem von Glas umschlossenen Fußgängerweg, der die Straße überspannte und die Hauptgebäude der Klinik bis zur Krankenstation und der Notaufnahme miteinander verband, klappte sie den Schirm zu und schloß ihn mit dem Druckknopf.
    Die Klinik war ein postmodernes Bauwerk aus roten Backsteinen und Spiegelglas, das auf einen gepflasterten Hof sah. Der Haupteingang befand sich abseits des Hofs und war über eine breite Treppe aus Granitgestein zu erreichen.
    Marissa holte tief Luft und stieg dann die Treppe hinauf. Als Ärztin war sie es gewöhnt, medizinische Gebäude zu betreten. Doch jetzt kam sie zum erstenmal als Patientin, zudem nicht zu einer Untersuchung, sondern zu einem chirurgischen Eingriff. Daß es sich nur um einen kleinen Eingriff handelte, milderte ihre Befürchtungen nicht in dem Maße, wie sie es sich vorgestellt hatte. Zum erstenmal wurde Marissa klar, daß es vom Gesichtspunkt eines Patienten so etwas wie einen »kleinen« Eingriff nicht gab. 

    Erst vor zweieinhalb Wochen war Marissa dieselbe Treppe hinaufgegangen, um die jährliche Vorsorgeuntersuchung vornehmen zu lassen. Einige Tage darauf erfuhr sie, daß das Ergebnis nicht normal war: CIN Grad Nr. 1. Da sie sich immer bester Gesundheit erfreut hatte, kam ihr das sehr überraschend. Flüchtig fragte sie sich, ob die Abweichung vom Normalen mit ihrer kürzlichen Heirat mit Robert Buchanan zu tun haben könne. Seit der Hochzeit hatten sie die körperlichen Freuden der Verbindung in hohem Maße genossen.
    Marissa packte den Messinggriff der massiven Vordertür und trat in die Vorhalle. Die Ausstattung war ziemlich steif, verriet aber dennoch guten Geschmack und zeugte jedenfalls von viel Geld. Den Fußboden bedeckte dunkelgrüner Marmor. Feigenbäume in großen Ziegelsteinbehältern säumten die Wände. Mittendrin stand der kreisrunde Auskunftskiosk. Hier mußte Marissa warten, bis sie an der Reihe war. Sie knöpfte den Mantel auf und schüttelte sich die Feuchtigkeit aus den langen braunen Haaren.
    Als Marissa vor zwei Wochen das überraschende Ergebnis des Abstrichs erfuhr, hatte sie ein langes Telefongespräch mit Ronald Carpenter, ihrem Frauenarzt, geführt. Er hatte ihr wärmstens empfohlen, sich eine Gewebeprobe entnehmen zu lassen.
    »Da ist weiter nichts dabei«, hatte er mit Überzeugung erklärt.
    »Wirklich eine Kleinigkeit. Aber danach wissen wir genau, was da drin vorgeht. Wahrscheinlich gar nichts. Wir könnten auch noch eine Weile warten und dann einen weiteren Abstrich vornehmen. Aber wenn Sie meine Frau wären, würde ich Ihnen raten, sich die Gewebeprobe entnehmen zu lassen. Das bedeutet nichts weiter, als daß wir den Gebärmutterhals unter dem Mikroskop betrachten können.«
    »Ich weiß, was eine Gewebeprobe bedeutet«, entgegnete ihm Marissa.
    »Nun, dann wissen Sie ja auch, wie leicht sie vorzunehmen ist«, fuhr Dr. Carpenter fort. »Ich schaue mir den alten Gebärmutterhals genau an, schnipple ein winziges Stückchen ab, das mir vielleicht verdächtig vorkommt, und das wär’s dann. Nach einer Stunde könnten Sie schon wieder gehen. Und wir würden Ihnen auch etwas gegen eventuelle Schmerzen geben. In den meisten Kliniken entnimmt man Gewebeproben ohne Betäubungsmittel. Wir sind in dieser Hinsicht zivilisierter. Also, es ist wirklich eine Kleinigkeit. Ich könnte sie im Schlaf erledigen.«
    Marissa hatte Dr. Carpenter immer gemocht. Ihr gefiel seine unbekümmerte, lässige Art. Doch seine Stellungnahme zu einer Gewebeprobe machte ihr deutlich, daß Chirurgen einen Eingriff grundsätzlich anders sehen als ihre Patienten. Ihr war es gleich, ob der Eingriff für ihn eine Kleinigkeit war. Sie machte sich nur Gedanken darüber, wie er auf sie wirken würde. Schließlich bestand außer etwaigen Schmerzen vor allem die Möglichkeit einer Komplikation.
    Doch sie wollte die Sache auch nicht hinauszögern. Als Ärztin war sie sich über die Konsequenzen klar, die sich aus dem Hinausschieben der Gewebeprobe ergeben könnten. Zum erstenmal fühlte sich Marissa medizinisch verletzlich. Es bestand immerhin die wenn auch entfernte Möglichkeit, daß die Gewebeprobe eine
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