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Marissa Blumenthal 01 - Virus

Marissa Blumenthal 01 - Virus

Titel: Marissa Blumenthal 01 - Virus
Autoren: Robin Cook
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Kalifornien
    14. Januar des laufenden Jahres
     
    Dr. Rudolph Richter, ein hochgewachsener, würdevoller Facharzt für Augenheilkunde deutscher Abstammung und Mitbegründer des Richter-Krankenhauses in Los Angeles, rückte seine Brille zurecht und betrachtete die Korrekturabzüge der Anzeigen, die auf dem runden Tisch im Konferenzraum der Klinik ausgebreitet waren. Zu seiner Rechten saß sein Bruder und Geschäftspartner William, der den Abzügen die gleiche Aufmerksamkeit widmete. Diese bezogen sich auf den nächsten Vierteljahreswerbefeldzug um neue Kunden für die auf das Gesundheitsvorsorgeprogramm der Klinik abgestimmte Krankenversicherung. Er war auf junge Leute ausgerichtet, die als Gruppe natürlich verhältnismäßig gesund waren. Und hier war wirklich Geld zu verdienen mit ärztlichen Leistungen und der Versicherung dafür, wie William überzeugend dargelegt hatte.
    Rudolph hatte Spaß an den Abzügen - sie waren das erste Positive, was ihm an diesem Tag begegnete. Der Tag hatte schon unangenehm begonnen mit einer Karambolage beim Einfädeln in die San-Diego-Autobahn, deren Ergebnis ein häßlicher Blechschaden am Kotflügel seines neuen BMW gewesen war. Es folgte der Notaufnahmefall, der den ganzen Tagesablauf der Klinik in Unordnung gebracht und verzögert hatte. Dann kam der an AIDS erkrankte Patient mit einigen auffälligen Komplikationen, der ihm ins Gesicht gehustet hatte, als er die Netzhaut des Mannes untersuchte. Und zu guter Letzt war er von einem der Affen gebissen worden, die er für die Erprobung seines Augenherpes-Projekts einsetzte. Was für ein Tag!
    Rudolph nahm den Entwurf einer Anzeige für das Times Sunday Magazine von Los Angeles auf; der war tadellos. Er nickte William zu, der dem Werbemann bedeutete, mit seiner Präsentation fortzufahren. Als nächstes war ein gekonnt gemachter 30-Sekunden-Fernsehspot an der Reihe, der in die Abendnachrichten eingeblendet werden sollte. Er zeigte bikinibekleidete junge Mädchen, die am Strand von Malibu frei von Sorgen mit gutgebauten jungen Männern Volleyball spielten. Der Spot erinnerte Rudolph an aufwendige Pepsi-Werbung, obwohl er die Konzeption der »vorausbezahlten Gesundheitsvorsorge« pries, wie sie von Institutionen wie der Richter-Klinik gewährleistet werde - im Gegensatz zu jenem Prinzip der medizinischen Versorgung, bei dem für jeden Einzelfall eine entsprechende Zahlung fällig ist.
    Neben Rudolph und William nahmen an der Präsentation einige weitere Mitglieder des ärztlichen Personals teil, unter ihnen der leitende Allgemeinmediziner Dr. Navarre. Sie alle waren Klinikdirektoren und hatten kleine Anteile am Gesellschaftskapital.
    William räusperte sich und fragte, ob es noch Fragen gebe, was jedoch nicht der Fall war. Nachdem die Werbeleute sich verabschiedet hatten, herrschte allgemeine Zustimmung zu dem, was sie an Entwürfen vorgelegt hatten. Nachdem man noch kurz die Errichtung einer neuen Zweigklinik erörtert hatte, um die steigende Zahl neuer Versicherungsmitglieder aus dem Bereich von Newport Beach bewältigen zu können, wurde die Sitzung aufgehoben.
    Dr. Richter kehrte in sein Büro zurück und stopfte zufrieden die Kopien der vorgesehenen Anzeigen in seine Aktentasche. Sein Büro war groß und eindrucksvoll, vor allem im Verhältnis zu seinem eher bescheidenen Gehalt als angestellter Arzt. Aber dieses Gehalt war ohnehin eher ein Nebeneinkommen gegenüber seinen Einkünften aufgrund der Beteiligung am Grundkapital des Unternehmens. Sowohl die Richter-Klinik als auch Dr. Richter selbst befanden sich in sehr gesunden finanziellen Verhältnissen.
    Nachdem er ein paar Anrufe erledigt hatte, schaute er nach seinen beiden Patienten, die derzeit nach einer Operation hier in der Klinik lagen: zwei Fälle von Netzhautablösungen mit doch recht komplizierter Krankheitsgeschichte.
    Bei beiden war der Zustand zufriedenstellend. Auf dem Rückweg in sein Büro dachte er darüber nach, wie wenig es doch eigentlich für ihn als dem einzigen Augenarzt der Klinik zu operieren gab. Das störte ihn zwar etwas, aber angesichts der zahlreichen Augenärzte in der Stadt konnte er mit dem Job, den er hier hatte, zufrieden sein. Er war seinem Bruder wirklich dankbar dafür, daß dieser ihn vor acht Jahren zum Mitmachen bei der Idee dieser Klinik veranlaßt hatte.
    Dr. Richter vertauschte seinen weißen Kittel mit einem blauen Blazer, nahm seine Aktentasche und verließ das Krankenhaus. Es war schon nach neun Uhr abends, und die Tiefgarage mit ihren
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