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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten
Autoren: Carre
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Eben noch eine weltbekannte muslimische Hilfsorganisation mit Hauptsitz in Riad, im nächsten Augenblick eine poplige Reederei in Nikosia. Um Abdullahs Nähe zu entkommen, aber auch, um sich abzusichern, wandte Brue sich zu Annabel um.
    »Sind Sie beide damit einverstanden?« fragte er auf deutsch. »Scheint nicht abgehakt zu sein. Das einzige, was ich hier habe, ist die Summe. Fünfzigtausend US-Dollar. Für die Seven Friends Navigation Company, Nikosia.«
    »Ah, diese Firma ist besonders wichtig für den notleidenden Jemen«, erklärte Abdullah Brue, bevor Annabel die Frage für Issa übersetzen konnte. »Wenn Ihrem Mandanten daran gelegen ist, der Umma medizinische Hilfe zukommen zu lassen, erreicht er das am effizientesten auf diesem Wege.«
    Die Hände rechts und links neben der Tastatur, hörte Brue zu, wie Annabel ins Russische übersetzte: »Dr. Abdullah sagt, die Menschen im Jemen sind sehr arm und bedürftig. Diese vertrauenswürdige Reederei hat besonders viel Erfahrung darin, sie mit Hilfsgütern zu versorgen. Möchten Sie sie auch unterstützen?«
    Issa überlegte hin und her, ja, nein, Schulterzucken. Dann kam ihm die Erleuchtung: »In meinem türkischen Gefängnis war ein Jemenit, der so krank war, daß er gestorben ist! Das soll nicht noch einmal geschehen. Tun Sie es, tun Sie es, Mr. Tommy.«
    Gehorsam tippte Brue die Daten der Reederei ein und folgte ihnen in seiner Vorstellung durch den Äther: erst zu der Clearingbank, über die sämtliche Überweisungen von Frères zu laufen hatten – vor dem Computerzeitalter hätte der Name Brue genügt dann nach Ankara und weiter bis in eine schäbige türkisch-zypriotische Bank in Nikosia, die wahrscheinlich stark nach Latrine aussah und auf deren Türschwelle sich räudige Hunde sonnten. Annabel tippte ihm auf die Schulter. Außer beim Händeschütteln hatte sie ihn noch nie berührt.
    »Das ist ein Et-Zeichen. Sie haben einen Schrägstrich gemacht.«
    »Tatsächlich? Wo denn? Du liebe Güte, stimmt. Wie dumm von mir. Danke.«
    Er gab ein Et-Zeichen ein. Damit war seine Aufgabe erledigt. Vierzehn verdammte Banken und eine mickrige kleine Reederei. Er brauchte nur noch auf ENTER zu drücken.
    »Wäre das Werk dann also vollbracht, Frau Richter?« fragte er jovial, die Hand über der Tastatur, Mittelfinger ausgestreckt.
    »Issa?« fragte sie.
    Issa nickte abwesend und versank wieder in seinen Gedanken.
    »Dr. Abdullah, keine Bedenken?«
    »Danke, ich bin natürlich höchst zufrieden.«
    Deine ganzen hundert Prozent? fragte sich Brue.
    Und während er noch immer auf die ENTER-Taste hinunterblickte, überlegte er, was für eine Geste wohl angebracht war und welche Empfindung auf seinem Gesicht zu lesen sein sollte, wenn er sie drückte.
    Freude darüber, daß er seine Bank gleich um Einlagen im Wert von zwölfeinhalb Millionen Dollar erleichtern würde? Wohl kaum.
    Freude darüber, dem Sohn und Erben eines langjährigen Kunden seiner Bank einen Dienst erweisen zu können?
    Oder vor allem Freude darüber, daß er Annabel aus der Klemme helfen und Issa vor endloser Kerkerhaft und Schlimmerem bewahren konnte?
    Natürlich letzteres, aber er setzte vorsichtshalber sein Bankiersgesicht auf und drückte die Taste vor lauter Erleichterung um einiges energischer als beabsichtigt.
    Schwupp, weg war er, der letzte Lipizzaner. Ade, Edward Amadeus, O. B. E. Ade, Ian Lantern, Gott mit dir und allen, die mit dir segeln.
    Nun blieb ihm nur noch eines zu tun.
    »Herr Dr. Abdullah. Darf ich Ihnen auf Kosten der Bank ein Taxi rufen?«
    Und ohne die Antwort des guten Herrn Doktors abzuwarten, wählte er die Nummer, die Lantern ihm für diesen Augenblick gegeben hatte.
    * * *
    Zwischen den unsichtbaren Verkehrshütchen von Mohrs Sperrzone hindurch lenkte Bachmann – vorbei an Autos, die rätselhaft unbehelligt an Straßenkreuzungen parkten, vorbei an kräftig gebauten Fußgängern, die nichts zu tun hatten, außer sich unauffällig zu geben, vorbei an Elektrikern mit Handlampen, die sich wenig überzeugend an Schaltkästen zu schaffen machten – sein Taxi auf den erhöhten Vorplatz von Brue Frères, schlug den Jackenkragen hoch und lauschte wie jeder andere wartende Fahrer dem Taxifunk, während er mit leerem Blick durch die Windschutzscheibe starrte und mit weniger leerem Blick auf das am unteren Rand des Armaturenbretts vor sich hin flimmernde Display. Er hatte ein Bild, aber keinen Ton. Mohrs Techniker mußten im letzten Moment Mist gebaut haben.
    Nur Sekunden nachdem er
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