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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten
Autoren: Carre
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hörte er noch, aber auf russisch, und er wußte, das galt Issa, nicht seinen Entführern. Ich hol dich da raus, und wenn es das letzte … – und wahrscheinlich wollte sie sagen, und wenn es das letzte war, was sie in ihrem Leben noch tat, aber ihr Versprechen ging ins Leere, denn Brue riß sie zurück, und sie mußte den Griff loslassen. Doch selbst nachdem er sie wieder auf die Beine gestellt hatte, streckte sie die Arme noch immer nach dem Minibus aus, als könnte sie ihn zurückholen.
    Bachmann hinkte vom Vorplatz hinunter auf die Straße, wo seine beiden Schatten reglos in ihrem Audi saßen und auf sein Zeichen warteten. Mühselig schleppte er sich bis zu der Sackgasse, wo er zuvor Arni Mohrs Kontrollfahrzeug erspäht hatte. Es war nicht mehr da, aber Arni Mohr stand auf dem Bürgersteig unter einer Laterne und plauderte mit Newton aus den alten Beiruter Tagen. Neben ihnen stand eifrig der kleine Ian Lantern, lächelnd wie stets, deshalb vermutete Bachmann, daß Newton der nicht identifizierte Beifahrer in Lanterns Wagen gewesen war.
    Als Bachmann sich näherte, setzte Arni eine betont unbeteiligte Miene auf und mußte plötzlich ein dringendes Telefonat führen, was ihn zwang, ein paar Schritte die Straße hinunterzugehen, aber Newton mit seinem neuen schwarzen Ziegenbart schlenderte leutselig auf seinen alten Kumpel zu.
    »Günther Bachmann, sag bloß! Wie hast du’s denn hier reingeschafft? Wir dachten, du wärst Mike Axelrods Boy! Hat dir Bruder Burgdorf doch noch einen Platz in der ersten Reihe gegeben?«
    Aber als Newton dichter herankam und Bachmanns blutenden Arm, seinen lädierten Zustand und die glühende Anklage in seinen Augen sah, begriff er seinen Irrtum und blieb mit einem Ruck stehen.
    »Mann. Tut mir leid wegen deinem Taxi, okay? Diese Penner von der Farm fahren wie die gesengten Säue. Du mußt deinen Arm behandeln lassen. Ian fährt dich ins Krankenhaus. Jetzt sofort, ja, Ian? Er sagt ja. Jetzt sofort.«
    »Wohin habt ihr ihn gebracht?« fragte Bachmann.
    »Abdullah? Ist doch scheißegal. In der Wüste in ein Loch geschmissen, wenn’s nach mir ginge. Justice has been rendered. We can all go home.«
    Bachmann in seinem benebelten Zustand verstand nur Bahnhof.
    »Rendered?« fragte er stumpfsinnig. »Was heißt rendered? Welche Gerechtigkeit?«
    »Amerikanische Gerechtigkeit, du Penner. Was dachtest du denn? Gerechtigkeit, die nicht lange fackelt. Knallharte Gerechtigkeit, die meine ich! Noch nie was von extraordinary rendition gehört? Wo man seine Verdächtigen in Drittstaaten verfrachtet, um sie durch die Mangel drehen zu können, ohne daß einem irgendwelche Juristenärsche Knüppel zwischen die Beine schmeißen? Nein? Höchste Zeit, daß ihr Krauts euch ein Wort dafür einfallen laßt. Bist du stumm geworden oder was?« Aber von Bachmann kam immer noch nichts, also fuhr Newton fort: »Auge um Auge, Günther. Gerechtigkeit im Sinn von Vergeltung, klar? Abdullah hat Amerikaner auf dem Gewissen! Das ist für uns der Sündenfall schlechthin. Du stehst auf Spionage-Pingpong? Da mußt du dich an die europäischen Weicheier halten.«
    »Ich rede von Issa«, sagte Bachmann.
    »Issa war Luft, Mann«, fuhr Newton ihn an. »Und wessen Kohle war es denn letztlich? Issa Karpow sponsert den Terror, basta. Issa Karpow läßt den ganz bösen Jungs Knete rüberwachsen. Gerade eben zum Beispiel. Fick dich ins Knie, Günther. Okay?« Aber anscheinend glaubte er, noch etwas nachschieben zu müssen: »Diese ganzen Tschetschenen, mit denen er so dicke war – willst du mir erzählen, das sind alles Unschuldslämmer?«
    »Er ist unschuldig.«
    »Bullshit. Issa Karpow hat Dreck am Stecken, aber hundertprozentig. Und das wird er schon noch gestehen, spätestens in ein paar Wochen, falls er so lange durchhält. Jetzt verzieh dich, bevor ich dir Beine mache.«
    Lantern, der sich im Schatten des hochgewachsenen Amerikaners hielt, schien seine Ansicht zu teilen.
    Von der Alster kam eine frische Nachtbrise und trug aus dem Hafen den Geruch von Öl heran. Annabel stand mitten auf dem Vorplatz und starrte die leere Straße hinab, hinter dem verschwundenen Minibus her. Brue blieb an ihrer Seite. Ihr Tuch war ihr vom Kopf gerutscht. Abwesend schob sie es wieder hoch und knotete es unterm Kinn zusammen. Als Brue Schritte hörte, drehte er sich um und sah, daß der Fahrer des ramponierten Taxis auf sie zuhumpelte. Dann drehte sich Annabel ebenfalls um und erkannte in dem Fahrer Günther Bachmann, den Wettermacher, der
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