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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten
Autoren: Carre
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einer solchen Rolle begnügt! Martha, Burgdorfs neokonservative Seelenverwandte. Martha, die laut über die Operation FELIX lachte, als handelte es sich um ein launiges europäisches Partyspiel, erdacht von ein paar liberalen deutschen Dilettanten. Er stellte sie sich jetzt in Berlin vor (zusammen mit Newton, dem alten Schlächter? Nein, den und die Aschblonde hatte sie ja hier in Hamburg gelassen): Martha, wie sie im Einsatzraum der Koordinierungszentrale saß und Burgdorf ins Ohr träufelte, was gut für ihn war, wenn er den Topjob an Land ziehen wollte – ihm zuraunte, daß Langley seine Freunde nie vergaß.
    »Kein grünes Licht«, bestätigte Maximilian. »Wir bleiben auf Abruf.«
    * * *
    Sie war seine Anwältin, für sie zählte nur ihr Auftrag.
    Und dieser Auftrag, so wie ihn Issas verzweifelte Lage ihr diktierte und wie ihn Erna Frey ihr wieder und immer wieder eingehämmert hatte, lautete, ihren Mandanten an den Tisch zu bringen, damit er sein Geld überschrieb, und ihm seinen Paß in die Freiheit zu verschaffen.
    Sie war keine Richterin wie ihre Mutter, kein bigotter Diplomat wie ihr Vater. Sie war Anwältin, und Issa war ihr Mandant, und ob dieser sanfte muslimische Weise im Recht oder im Unrecht, unschuldig oder schuldig war, spielte für ihren Auftrag keine Rolle. Günther hatte gesagt, daß er nicht vorhätte, ihm auch nur ein Haar zu krümmen, und sie glaubte ihm; zumindest redete sie sich das ein, während sie die prächtige Marmortreppe hinuntergingen, Brue voraus, nach ihm Abdullah – warum auf einmal so zittrig? – und als letzte Issa und sie.
    Issa lehnte sich ein Stück nach hinten, damit sie leichter seinen rechten Ärmel nehmen konnte – nur den Ärmel, immer nur den Ärmel, nie den Arm. Sie spürte seine Wärme durch den Stoff und bildete sich ein, sie könnte seinen Pulsschlag fühlen, aber wahrscheinlich war es ihr eigener.
    »Was hat Abdullah denn nun verbrochen?« hatte sie Erna Frey am Mittag zum wiederholten Mal gefragt, in der Hoffnung, so kurz vor dem Startschuß würde sie sich vielleicht gesprächiger zeigen.
    »Er ist ein kleines Zubehörteil auf einem großen, unaufgeräumten Boot«, hatte Erna, die leidenschaftliche Seglerin, kryptisch geantwortet. »So etwas wie ein Splint. Und genausoschwer zu finden, wenn man sich auf dem Boot nicht auskennt. Und auch genausoleicht wieder zu verlieren.«
    Wenn sie an Issa vorbeispähte, sah sie sechs Stufen unter sich Dr. Abdullahs weißes Scheitelkäppchen auf und ab wippen: ein kleines Zubehörteil auf einem unaufgeräumten Boot.
    Die Tür zum Computerraum stand offen. Brue, der Vater von Georgina, beugte sich über den Rechner. Ob er ihn bedienen konnte? Wenn er meine Hilfe braucht, soll er sie haben.
    * * *
    Im Überwachungswagen wurden Bachmann und sein Zweierteam von der gleichen Totenstille erfaßt, die sich über die vier im Computerraum gesenkt hatte. Eine an der Schmalseite in die Wand eingebaute Kamera mit Fischaugenobjektiv lieferte ein Gesamtbild des Raums, eine zweite eine Nahaufnahme von Brue, der vor der Tastatur saß und umständlich im Zweifingersystem die Bankleitzahlen und Kontonummern von einem Ausdruck abtippte, den Dr. Abdullah mitgebracht hatte und der von einer dritten Kamera gescannt wurde, die in der Deckenbeleuchtung versteckt war. Auf einem anderen Bildschirm, auf dem die Zentrale in Berlin zugeschaltet war, baute sich die Liste im Takt von Brues stockendem Schreibrhythmus ein zweites Mal auf. Hilfsorganisationen, die Dr. Abdullah im Vorfeld noch nicht von Issa hatte absegnen lassen, waren rot unterlegt.
    »Herrgott noch mal, Michael«, beschwor Bachmann Axelrod über die direkte Leitung. »Wann, wenn nicht jetzt?«
    »Setz dich nicht ins Taxi, Günther.«
    »Wir haben ihn am Wickel, verfluchte Scheiße! Worauf warten wir noch?«
    »Bleib, wo du bist. Du gehst keinen Schritt näher an die Bank ran, bis ich dir persönlich das Okay gegeben habe. Das ist eine Weisung.«
    Keinen Schritt näher als wer? Ami Mohr? Lantern und sein nicht identifizierter Beifahrer? Aber Axelrod hatte schon aufgelegt. Bachmann starrte auf die Monitore, fing Nikis Blick auf und drehte sich weg. Eine Weisung, hatte er gesagt. Eine Weisung von wem? Axelrod? Burgdorf? Eingeflüstert von Martha? Oder die Konsensentscheidung einer in sich zerstrittenen Zentrale in ihrer hermetisch abgeschlossenen Kapsel, in die kein warmer Blutgeruch jemals eindringen konnte?
    Sein Blick schnellte zurück zu Niki. Auf einem Sims über den Monitoren hatte
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