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Marianne & David (German Edition)

Marianne & David (German Edition)

Titel: Marianne & David (German Edition)
Autoren: Reimund J. Dierichs
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bot, aus der Hölle des Elternhauses geradewegs ins Paradies einzutreten. Inzwischen drohte dieses Paradies zu einer neuen Hölle zu werden. Vielleicht spiegelte das Außen ja immer das Innen wider, und wenn er sich nicht änderte, würde auf eine Hölle eine neue folgen.
    „ Soll ich dir jetzt die Geschichte mit dem Wolf erzählen?“
    Es war in einer der kurzen Wachphasen -von denen es einige in dieser Nacht gab-, als Patrick ihm die Frage stellte.
    In einem Moment noch schlaftrunken, im nächsten aber hell-wach, drehte sich David zu seinem Freund herum und kuschelte sich an ihn.
    „ Von was für einem Wolf redest du“
    „ Na, von dem, der unten gestanden und zu mir heraufgeschaut hat.“
    David verstand. Es war die versprochene Geschichte, mit der Patrick am Abend versucht hatte, ihn unter die Decke zu locken.
    „ Ich hätte nie geglaubt, dass es in dieser Gegend Wölfe gibt.“
    „"Und nicht nur die.“
    „Sondern?“
    Patrick ließ die Frage unbeantwortet. „Natürlich wirst du um diese Jahreszeit keinen Wolf zu sehen bekommen. Sie haben sich in das menschenleere Gebiet hinter der albanischen Grenze zurückgezogen. Du brauchst also keine Angst zu haben, wenn wir die Schlucht durchqueren.“
    David zuckte mit den Schultern, was Lässigkeit oder Gleich-gültigkeit demonstrieren sollte. In Wirklichkeit war er dankbar für Patricks Hinweis.
    „ Aber warum ist das Tier dann ins Dorf gekommen?“
    „ Ich war damals gegen Ende des Winters hier. Es muss ein sehr harter Winter gewesen sein. Überall lag noch Schnee. Und wenn du Hunger hast, suchst du nach Wegen, um diesen Hunger zu stillen. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie dir eine Kugel in das Fell jagen.“
    „ Hattest du denn keine Angst, aus dem Haus zu gehen?“
    „ Ein bisschen mulmig war mir schon. Obwohl am Tage die Gefahr geringer war. Außerdem habe ich meistens das Auto benutzt.“
    „ Was hast du überhaupt im Winter hier gemacht?“
    „ Das ist eine Geschichte, die der Vergangenheit angehört.“ Patricks Stimme hatte sich verändert, obwohl er sich alle Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen.
    „ Deine große Liebe?“ David machte eine Pause. „Entschul-dige, dass ich nachhake. Ich könnte mir in die Unterlippe beißen.“
    „ Schon in Ordnung. Ja, ich war damals sehr verliebt. Und blauäugig. Mein damaliger Freund war Grieche. Er kam aus Papingo, einem Dorf nicht allzu weit von hier. Wir sind uns schon nach zwei Tagen so heftig in die Haare geraten, dass ich den Urlaub abgebrochen habe und nach Hause gefahren bin. In London haben wir uns noch einmal gesehen. Das war' s dann.“
    Wortlos lagen sie eine Weile nebeneinander.
    „ Also gut, ich erzähl dir auch den Rest.“ Patrick richtete sich auf und stützte seinen Kopf mit dem Arm ab. „Eifersucht war unser zentrales Thema. Er hat es mit der Treue nie so ganz Ernst genommen.“
    David sah ihn erwartungsvoll an.
    „ Ich bin wahrhaftig kein engstirniger, Druck ausübender Idiot, aber er hat es einfach zu weit getrieben.“
    „ Aber hier in der Abgeschiedenheit wird er doch kaum die Gelegenheit dazu gehabt haben?“
    Patrick musste über die Frage schmunzeln. „Ich rede über Dinge, die in London passiert sind: auf Feten, in Discos oder in seiner Wohnung. Er hat ungeniert in meiner Gegenwart mit anderen geflirtet. Und nicht nur das. Ich hab ihn auf der Toilette einer Kneipe mit heruntergelassener Hose erwischt. Irgend so ein Kerl kniete vor ihm. Verstehst du, wovon ich rede? Er geht mit mir aus und vergnügt sich nur ein paar Meter weiter mit einem anderen. Er brauchte ständig Bestätigung. Er sah verdammt gut aus, aber offensichtlich reichte ihm das nicht. Er musste ständig an sich rumlutschen lassen oder seinen Schwanz in fremde Öffnungen stecken. Sein Selbstbewusstsein ging gegen Null. Das hab ich viel zu spät erkannt. Das einzige, worauf er sich wirklich verstand, war ficken. Leider hat er sich um den Verstand gefickt. Er hat wirklich geglaubt, dass ein dicker Schwanz, überdurchschnittliche Ausdauer und eine Schar von Bewunderern, die nur darauf wartete, mit ihm ins Bett zu steigen, ausreicht, um ein erfülltes Leben zu leben. Als ich ihn schließlich auch noch in seiner Wohnung erwischte, wo er sich von zwei Typen gleichzeitig bedienen ließ, kam es zum großen Knall. Er schlug mir einen Urlaub in seinem Heimatland vor, wo wir in aller Ruhe miteinander reden wollten. Zum Reden hat es kaum gereicht. Allein in dieser winterlichen Einöde und fernab vom Zugriff auf sein
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