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Marcos Verlangen

Marcos Verlangen

Titel: Marcos Verlangen
Autoren: Laura Gambrinus
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Gegenfrage half ihm nicht weiter. Er musste nachlegen.
    „Geht so. Lange nicht mehr gehört, oder? Was gibt es denn Neues?“
    Krampfhaft versuchte er weiterhin, eine Anrede zu umschiffen. Solange er nicht wusste, wer Ella war, konnte er nicht einmal sagen, ob er sie duzen konnte oder lieber siezen sollte.
    Er hörte sie etwas verunsichert durchs Telefon lachen und schlagartig wurde ihm klar, wer ihn da angerufen hatte. Der Schreck jagte ihm einen heißen Schauer den Rücken hinunter.
    „Na, Sie gefallen mir!“, spottete sie jetzt, doch er konnte ihre Stimme leicht zittern hören. „Erst rennen Sie mir Tür und Tor ein und drängen mir Ihre Visitenkarten auf, und dann wissen Sie nicht einmal mehr, wer ich bin.“
    „Oh mein Gott! Sie! “
    „Ja, ich. Und ganz offensichtlich war dieser Anruf eine ziemlich blöde Idee!“ Sie wurde schlagartig ernst und er konnte ihre Ernüchterung förmlich hören. „Entschuldigen Sie, professore! Tut mir leid, ich war aufdringlich. Also bitte, tun wir einfach so, als hätte ich mich verwählt, okay? Schönen Nachmittag noch.“
    „Nein! Bitte, warten Sie…!“
    Zu spät. Sie hatte bereits aufgelegt. Einen Moment lang stand er da und fühlte sich wie ein begossener Pudel.
    Vermasselt, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte seine wahrscheinlich einzige Chance, sie wiederzusehen, absolut verpasst.
    „Idiot!“, schimpfte er lautstark vor sich hin, ehe sein Hirn wieder anfing zu funktionieren. Mit fliegenden Fingern sah er in seiner Anruferliste nach und es war so, wie er gehofft hatte: ihr Telefon hatte die Rufnummer übertragen. Er rief sofort zurück und – nach einem langen Moment des Bangens antwortete sie ihm tatsächlich.
    „Warum haben Sie denn einfach aufgelegt?“, fragte er atemlos statt einer Begrüßung.
    „Ich kam mir gerade eben ganz fürchterlich dumm vor“, gestand sie und er spürte, dass sie das ernst meinte. „Ich hätte gar nicht erst anrufen sollen, das war ziemlich - nun ja, eben dumm von mir! Da habe ich lieber wieder aufgelegt. Warum auch nicht, ich…“
    „Weil ich Sie unbedingt sprechen muss, darum nicht!“
    „Na ja, so hörte sich das für mich aber nicht an.“
    „Und das tut mir auch ganz fürchterlich leid, aber Ella“, seine Stimme klang nun sehr eindringlich, „Sie haben mir weder Ihren Namen verraten noch eine Nummer gegeben. Wie konnte ich nach einer Ewigkeit des Schweigens noch ein Lebenszeichen von Ihnen erwarten?“
    Einen Augenblick lang herrschte Stille in der Leitung.
    „Das stimmt, der Punkt geht an Sie“, antwortete sie zögernd. Er konnte sie buchstäblich lächeln hören und musste sich bemühen, gleichmäßig weiterzuatmen. „Aber nun hab ich Sie ja doch angerufen.“
    „Ja, zu meinem Glück! Ich freue mich sehr, wirklich! Wann kann ich Sie sehen?“
    Er konnte sie durch das Telefon kurz einatmen hören, so als überlege sie, ob sie ihm dieses Zugeständnis machen solle.
    „Ist Ihnen morgen Nachmittag recht?“, fragte sie schließlich. „Oder haben Sie da Vorlesung? Oder vielleicht Filmaufnahmen? Sie sind ja ein viel gefragter Mann, da ist der Terminkalender wahrscheinlich voll.“
    Er stieß hörbar die Luft aus. „Sie haben mich gegoogelt!“
    „Was haben Sie denn erwartet? Man sollte schließlich wissen, auf wen man sich einlässt.“
    „Sie wollen sich also auf mich einlassen?“
    Nun lachte sie wieder, dieses Mal deutlich entspannter.
    „Uups! Ich sehe schon, bei Ihnen muss ich mit meiner Wortwahl besonders vorsichtig sein. Also morgen Nachmittag?“
    „Unbedingt! Wo treffen wir uns?“
    „In Ihrem Büro?“
    „Warum dort?“ Er war verblüfft.
    „Ich möchte sehen, wo Sie arbeiten, wenn Sie nicht gerade vor der Kamera stehen und Leute ausfragen.“
    Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Einverstanden. Können Sie um drei Uhr bei mir sein? Wissen Sie, wohin Sie...?“
    „Hab ich mir schon ausgedruckt“, unterbrach sie ihn, „dann also bis morgen.“
    Sie legte auf, ohne seinen Gruß abzuwarten und er schwankte zwischen Euphorie und Ratlosigkeit.
    Ihre überraschende Bereitschaft, sich mit ihm zu treffen, war ihm nicht geheuer. Sie hatte sich wohl eingehend über ihn informiert. Nun, das war nicht schwer, was ihn mehr verwunderte war die Tatsache, dass sie ihn nicht schon vorher gekannt hatte. Zwar war sein Fachgebiet nicht unbedingt jedermanns Sache, aber durch die Fernsehübertragungen seiner Zwiegespräche mit bekannten Koryphäen jeglicher Couleur hatte er immerhin so etwas wie nationalen
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