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Manta 02 - Orn

Manta 02 - Orn

Titel: Manta 02 - Orn
Autoren: Piers Anthony
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Erinnerung... und fand den Vogel darin.
    Vor sechzig bis achtzig Millionen Jahren hatten die warmblütigen Vögel die Loslösung von ihrer Reptilienabstammung abgeschlossen, wobei sie ihre Körperwärme mit Hilfe des aus den Schuppen entstandenen Gefieders bewahrten. Sie lebten in hohen Nadelbäumen und felsigen Schluchten, wo es nachts kalt wurde und sie stetige Wärme brauchten, um in den windigen Höhen lebensfähig bleiben zu können. Sie spreizten kraftvoll ihre vier Beine, um mehr Auftriebskraft zu gewinnen, und brachten sich beim geringsten Anzeichen von Gefahr durch Springen und Gleiten in Sicherheit, denn einige der räuberischen Reptilien konnten klettern, und alle waren hungrig. Der Baumspringer, der zu Boden stürzte, war tot, und das nicht etwa von dem Sturz.
    Aber bald war eine Gattung der Vögel zu groß geworden, um durch die Luft entfliehen zu können, und während ihre leichteren Vettern immer höher in den Himmel emporstiegen, wobei sie ihre Vorderflügel ausdehnten und ihre hinteren Flügel zu Krallen verkümmern ließen, stemmte diese niedere Gattung ihre Hinterbeine fest auf die schreckliche Erde und gab das Flüchten auf. Hier überlebten nur die Schnellfüßigen, die mit dem starken Schnabel und dem guten Gedächtnis. Manchmal mußten sie rennen, manchmal kämpfen, und sie mußten auf Anhieb wissen, was in der Hochburg der Reptilien gerade angebracht war.
    Sie hatten Erfolg. Sie konnten in kältere Gebiete Vordringen als die Reptilien und auch nachts unterwegs sein. Andere landgebundene Gattungen spalteten sich ab. All dies wußte Orn. Die Notwendigkeit dazu, der Anblick dieses urtümlichen Vogels, hatte seiner Erinnerung den Anstoß gegeben. Er war für ihn keine Kreatur des Schreckens, sondern der Geschichte, die einen Weg von fünfzig Millionen Jahren zurückgelegt hatte, um so gewaltsam vor dieser Höhle zu sterben. Orn hatte kein Mitleid mit dem Vogel. Dies war die Natur des Lebens. Die Schwachen, die Sorglosen, die Unglücklichen - sie starben und wurden durch andere ersetzt.
    Er ging um den Körper herum und blieb in der Sonne stehen. Eine mächtige Kiefer, ebenso uralt und auf ihre Weise genauso großartig wie der Vogel, ragte in der Nähe in die Höhe. Der Boden war mit hohen Farnen bedeckt, die ihre Wedel im leichten Wind schaukelten. Orn wußte, daß ähnliche Pflanzen die Landschaft für eine sehr lange Zeit beherrscht hatten. Erst jüngst waren andere gekommen, um ihnen das Land streitig zu machen, aber diese anderen hatten hier nicht viel Erfolg gehabt.
    Während die aufgehende Sonne den Frost aus dem Land vertrieb, kratzte er prüfend über den Boden. Im Vergleich zu den dick behörnten Zehen des toten Vogels waren seine eigenen schwächlich und zart, aber ein paar behutsame Kratzer legten die Struktur des Bodens frei. Unter den Blättern und Zweigen und Nadeln an der Oberfläche befand sich schwammiger Humus, der vor eigenem erwachenden Leben strotzte. Er richtete den Blick nach unten und sah sich die Miniaturlandschaft an.
    Da waren Grillen und Schaben und schwarzschildige Käfer, die eifrig mikroskopische Trümmerstücke davontrugen. Winzige Spinnentiere, jene flügellosen Gliederfüßer, die sprangen, indem sie ihren gegabelten Schwanz gegen den Boden schnellten, hasteten in Deckung, weil sie die Sonne verabscheuten.
    Orn kannte sie. Die Gliederfüßer hatten sich schon vor sehr langer Zeit abgespalten, so weit zurück, daß er an ihre frühe Evolution keine Erinnerung mehr hatte. Irgendwann, als er sich noch im Urmeer zwischen der frostigen Dunkelheit und dem brennenden Licht abmühte und seinen zwanghaften Hunger stillte, indem er zu einem aufsaugenden Kelch, einer Walze, einem Klumpen mit Eingeweiden wurde, als er langsam Seiten- und Schwanzflossen entwickelte und unkontrolliert der Beute nachjagte, als er Augen bekam, um sich das Licht nutzbar zu machen, und Kiemen, um das Wasser zu atmen, und einen Orientierungssinn, um richtig zu navigieren, irgendwann während dieses komplexen, Milliarden Jahre währenden Entwicklungsprozesses, der seinem Gang an Land voranschritt, hatten die kleinen Gliederfüßer ihren eigenen mysteriösen und höchst erfolgreichen Weg gefunden. Nun krochen und flogen sie und fertigten Netze und Stöcke und Kokons und Erdhöhlen und lebten ihr emsiges Leben in vielbeiniger, vielflügliger und im Grunde genommen geistloser Bestimmung.
    Orn bewegte sich weiter vorwärts, alles beobachtend, aber nichts in Frage stellend. Zaghafte haarige Säugetiere,
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