Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mann kocht

Mann kocht

Titel: Mann kocht
Autoren: Ludger Fischer
Vom Netzwerk:
satt zu machen!
    Kann nicht einen Augenblick
    sich zu ruhn erlauben.
    Und das hält sie gar für Glück!
    Sollte man es glauben?«
    Das ist wirklich unglaublich, was sich dieser Kerl Ende des 19. Jahrhunderts herausgenommen hat! Die reinste Heuchelei! Sagen Sie’s bitte nicht meiner Mutter, obwohl die es in ihrer Großherzigkeit leicht verkraften würde. Sagen Sie es aber vor allem nicht Italienern. Denn jeder Italiener und jede Italienerin hat die beste Mama der Welt, und jede jeweilige Mama ist die beste Köchin der Welt – was allein ontologisch schon nicht geht. Dass es bei Mama am besten schmeckte, hat nichts mit deren Kochkünsten zu tun, die, objektiv betrachtet, eher als dürftig bis »nicht vorhanden« charakterisiert werden müssten. Es liegt vielmehr an der Projektion des Gewünschten. In der Erinnerung war alles schön, sogar das Essen, das Mama uns vorsetzte, auch wenn es nur Erbsensuppe war.
    Über die tatsächliche mütterliche Kochunfähigkeit weiß ausgerechnet ein Mann Bescheid, nämlich Jamie Oliver. Nach einem rituellen Lob auf seine Mutter, bei der er angeblich am liebsten Spaghetti Bolognese gegessen habe, beklagt er nicht minder rituell, dass knapp eine Generation später das ganze Wissen um die Zubereitung von Speisen verloren gegangen sei. 8 Mit dieser Einschätzung erntet Jamie Oliver natürlich viel Lob und Kopfnicken von Kulturpessimisten und deshalb von mir nicht. Seine Bemühungen um angeblich gesünderes Schulessen wurden von Müttern in Rotherham auch so quittiert, dass sie ihren Kleinen Fast Food, Sandwiches, Fish & Chips, vollfette Mayonnaisen-Salate und Süßigkeiten durch Lücken im Zaun zusteckten. »Gesünderes Essen«, was immer das sei, hielten sie nicht für angemessen zur Versorgung ihrer Racker. »Gesünderes Essen« lässt sich eben nicht befehlen, schon gar nicht Müttern.

Männer essen anderes
    Wildkräuter-Blütensalat mit karamellisierten Perlzwiebeln? Löwenzahntiramisu? Schnickschnack, gedünstet mit Spirenzchen an Kinkerlitzchen? Ach, hören Sie mir doch auf! Ein Festtags-Menü für Männer sieht in Deutschland etwa so aus, wie es mir mein Bruder Gregor schilderte, der mit der Speisefolge bei einer goldenen Hochzeit allenfalls leicht überfordert war: Suppe, Nachschlag Suppe, noch ein Nachschlag Suppe, dann Spargel, Erbsen und Möhren, Blumenkohl, Brokkoli, Bohnen, Bohnen mit Speck, Bohnen in Speck gewickelt, geschmorte Champignons, Steinpilze, Pilzedieichnichtkenne, Rösti-Ecken, Salzkartoffeln, Pommes, Reh-Medaillons, Lammstreifen, Roastbeef, Rinderbraten, Schweinebraten, Putenbrust, Chickenwings, für alles leckere Fertigtütenbratensoßen, eine helle, eine dunkle, eine mit so Stückchen drin. Und zum Nachtisch Bayerische Creme mit roter Grütze und Vanille- und/oder Schokoladensoße auf Eisvariationen.
    Klar, dass sich mein Bruder bemühte, keine dieser Leckereien auszulassen. Man tut, was man kann. Natürlich musste er dazu auf den ganzen Beilagenkram und das Gemüse verzichten. Seine Frau, also meine Schwägerin Vera, sah das ganz anders. Sie habe sich an dem ganzen Gemüsekram »mal so richtig satt gegessen«.
    Dass Männer und Frauen anders und anderes essen, ist in den letzten Jahrzehnten ausführlich untersucht und beschrieben worden. Es liegt, hat man herausgefunden, nicht daran, dass Männern ein Steak besser schmeckt, Frauen ein Salat mit Putenstreifen, sondern es liegt daran, dass mit den auf Geschlechter festgelegten Speisen deren jeweilige Rolle verstärkt wird.
    Fleischschrank, Weissblech, stark, mit blau lackirtem Drahtgewebe. Zum Aufhängen bezw. Aufbewahren von Fleisch, Geflügel etc. in
geschlossenen oder freien Räumen. Fleisch wird mittlerweile in geeigneteren, nämlich gekühlten Schränken aufbewahrt. Verzehrt wird es aber weiterhin vorwiegend von Männern; nicht unbedingt, weil es ihnen besser schmeckt als Gemüse, sondern weil sie sich damit eindeutig als »echter« Mann zu erkennen geben.
    Genau das wollen nämlich die meisten Menschen. Kein Protest, kein Ausbrechen aus Rollenmustern, kein Risiko. Die Welt und das Verhältnis der Geschlechter zueinander ist so schon kompliziert genug. Da will eine Frau in Gesellschaft nicht als »Steak, aber blutig«-Monster erschrecken. Da will ein Mann nicht durch die Bestellung von Salat die Gefahr eingehen, für ein Weichei gehalten zu werden. Das mindert die jeweilige Chance erheblich, doch noch von der Bettkante gestoßen zu werden.
    Kochlöffel, Buchen, geschnitzt, in sortirten Größen. Bei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher