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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel
Autoren: Paul Auster
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Sache hinbekommen. Nur schade, dass ich gerade fünf Minuten alt war und gar nicht wusste, was ich tat.
    Die erste von vielen guten Taten, und es werden sicher noch mehr.
    Warum ist das Leben so schrecklich, Grandpa?
    Weil es eben so ist. Es ist einfach so.
    All die schwierigen Zeiten, die du und Grandma durchgemacht habt. All die schwierigen Zeiten, die meine Eltern durchgemacht haben – wozu? Immerhin habt ihr euch geliebt und eure zweite Chance genutzt. Immerhin hat meine Mutter meinen Vater genug geliebt, um ihn zu heiraten. Ich habe niemals jemanden geliebt.
    Wovon redest du?
    Ich habe versucht, Titus zu lieben, aber ich konnte es nicht. Er liebte mich, aber ich konnte ihn nicht wiederlieben. Was glaubst du, warum er in diese blöde Firma eingestiegen und fortgegangen ist?
    Um Geld zu machen. Er wollte ein Jahr hergeben und mit knapp hunderttausend Dollar rauskommen. Das ist ein Haufen Geld für ein en Vierundzwanzigjährigen. Wir haben uns vor seiner Abreise lange unterhalten. Er wusste, er würde ein Risiko eingehen, aber er fand, das wäre es wert.
    Er ist meinetwegen fortgegangen. Begreifst du das nicht? Ich habe ihm gesagt, ich wolle ihn nicht mehr sehen; deshalb ist er weggelaufen und hat sich umbringen lassen. Er ist meinetwegen gestorben.
    So darfst du nicht denken. Er ist gestorben, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war.
    Und ich habe ihn dorthin geschickt.
    Du hattest nichts damit zu tun. Hör auf, dich zu quälen, Katya. Das tust du schon lange genug.
    Ich kann nicht anders.
    Seit neun Monaten hockst du nun schon hier herum, und es tut dir gar nicht gut. Ich denke, es ist Zeit für eine Veränderung.
    Ich will aber nicht.
    Hast du darüber nachgedacht, im Herbst dein Studium wiederaufzunehmen?
    Gelegentlich. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich schon so weit bin.
    Bis dahin sind es noch vier Monate.
    Ich weiß. Aber wenn ich zurückwill, muss ich spätestens in einer Woche zusagen.
    Tu das. Und wenn es dann doch nicht gehen sollte, kannst du immer noch aussteigen.
    Warten wir’s ab.
    Bis dahin müssen wir hier mal für etwas Bewegung sorgen. Hättest du Lust, eine Reise zu machen?
    Wohin denn?
    Wohin du willst, so lange du willst.
    Und was ist mit Mutter? Wir können sie nicht einfach allein lassen.
    Nächsten Monat fangen die Semesterferien an. Dann könnten wir drei zusammen los.
    Aber sie arbeitet an ihrem Buch. Sie wollte es diesen Sommer fertigschreiben.
    Das kann sie auch unterwegs tun.
    Unterwegs? Willst du etwa mit dem Auto fahren? Das macht dein Bein doch gar nicht mit.
    Ich hatte eher an einen Wohnwagen gedacht. Keine Ahnung, was diese Dinger kosten, aber ich habe einen hübschen Batzen Geld auf der Bank. Den Erlös aus dem Verkauf meiner New Yorker Wohnung. Davon kann ich mir bestimmt einen leisten. Wenn keinen neuen, dann eben einen gebrauchten.
    Was redest du bloß? Wir drei sollen den ganzen Sommer mit einem Wohnwagen durch die Gegend fahren?
    Ganz genau. Miriam arbeitet an ihrem Buch, und wir zwei machen uns täglich auf die Suche.
    Wonach?
    Ich weiß nicht. Irgendwas. Die besten Hamburger von Amerika. Wir machen eine Liste der besten Hamburger-Restaurants im Land, fahren dann von einem zum anderen und beurteilen sie anhand eines komplizierten Bewertungssystems. Geschmack, Saftigkeit, Größe, Qualität des Brötchens und so weiter.
    Wenn du täglich einen Hamburger isst, kriegst du wahrscheinlich einen Herzinfarkt.
    Dann eben Fisch. Wir suchen die beste Fischbude südlich von Alaska.
    Du nimmst mich auf den Arm, oder?
    Aber nein. So etwas bringen Versehrte alte Männer wie ich gar nicht mehr zustande. Es verstößt gegen unsere Religion.
    In so einem Wohnwagen ist es ziemlich eng. Und außerdem hast du etwas Wichtiges vergessen.
    Das wäre?
    Du schnarchst.
    Aha. Tue ich das, tue ich das? Na schön, streichen wir den Wohnwagen. Wie wär’s mit Paris? Da kannst du deine Verwandten besuchen, dein Französisch aufpolieren und das Leben wieder mit anderen Augen sehen lernen.
    Nein, danke. Ich möchte lieber hierbleiben und meine Filme schauen.
    Die entwickeln sich allmählich zu einer Droge. Ich denke, wir sollten uns etwas einschränken, es vielleicht sogar für eine Weile ganz sein lassen.
    Das geht nicht. Ich brauche die Bilder, brauche die Ablenkung, ich muss andere Dinge sehen.
    Andere Dinge? Ich kann dir nicht folgen. Anders als was?
    Sei nicht so begriffsstutzig.
    Ich weiß, dass ich dumm bin, aber ich kapiere das einfach nicht.
    Titus.
    Aber wir haben uns dieses Video nur
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