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Manche Maedchen raechen sich

Manche Maedchen raechen sich

Titel: Manche Maedchen raechen sich
Autoren: Shirley Marr
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zerknautscht ein Taschentuch in der Hand.
    Sogar in der Öffentlichkeit läuft sie in diesem Jane-Austen-Fummel rum. Mit dem strengen Dutt sieht sie aus wie eine Bibliothekarin.
    „Komm, Liebes, wir gehen jetzt nach Hause“, sagt sie und huscht an Dr . Fadden vorüber, der immer noch den Arm um mich geschlungen hat. Eine Umarmung, die ich nicht erwidere, wohlgemerkt.
    Ich höre, wie sich Ella den Rotz aus dem Gesicht wischt und ihrer Mutter artig hinterhertrottet. Dann herrscht für ein paar Sekunden Stille. Ich nehme an, dass sie sich umarmen. Wie rührend.
    Mr s Dashwood schleppt Ella an mir vorbei und hält dabei fest ihre Hand.
    Ella, das Schaf. Die hätte dieser Scheißkerl sich aussuchen solle n …
    „Du!“ Mr s Dashwood bleibt stehen und zeigt auf mich. „Wie konntest du meiner Tochter das antun? Wie konnte ich nur so dumm sein, nach East Rivermoor zu ziehen? Nur weil ihr reich seid, seid ihr noch lange nicht zivilisiert!“
    Was du nicht sagst, du blöde Kuh! Das hätte ich ihr von Anfang an sagen könne n – und ihr damit wahrscheinlich jede Menge Kummer erspart.
    „Wir haben dich in unserem Haus mit offenen Armen empfangen und was tust du? Dass du dich nicht schämst! Du bist das verabscheuungswürdigste Mädchen, das ich je kennengelernt habe. Von mir aus kannst du hier versauern! Ella, komm jetzt!“
    Ella hört nicht mehr auf zu wimmern. Sogar als sie längst zur Tür hinaus ist, kann ich noch hören, wie ihre piepsige Stimme an den Wänden des Flurs widerhallt.
    Plötzlich merke ich, dass ich zu Boden sinke. Meine Schultern sacken weg und Dr . Fadden hat große Mühe, mich festzuhalten. Vielleicht haben meine Schultern ja den Geist aufgegeben. Wobei das ziemlich seltsam wäre, denn schließlich gehe ich dreimal die Woche zum Yogalates. Vielleicht gebe ich gerade auf. Keine Ahnung. Ich schaue den Doktor an.
    „Ich will jetzt gehen“, flüstere ich.
    Nicht, dass ich irgendwohin gehen könnte. Ich weiß selbst nicht, was ich damit meine.

zwei
    Keine Ahnung, wie lange ich die nackte Wand jetzt schon anstarre. Seit einer halben Ewigkeit. Ich weiß nicht, wie ich zurück ins Verhörzimmer gekommen bin oder seit wann ich auf diesem harten Metallstuhl sitze oder wie oft Dr . Fadden in der Zwischenzeit rein- und rausgegangen ist. Ich habe nur gespürt, wie mir plötzlich jemand etwas zugeschoben hat. Es fühlt sich heiß an zwischen meinen Fingern. Eine Tasse mit dampfendem, schwarzem Kaffee. Dankbar trinke ich einen Schluck. Doch ich spucke ihn sofort wieder aus. An dem Zeug verbrennt man sich ja den Gaumen!
    „Also, noch mal ganz von vorne“, sagt Dr . Fadden ohne jeden Hauch von Ironie.
    Ich starre Dr . Fadden an. Nach und nach verwandeln sich seine Gesichtszüge, die gerade noch eine lose Ansammlung von Umrissen und Linien waren, wieder in ein richtiges Gesicht.
    „Warum haben Sie Ella gehen lassen?“ Mein Mund bewegt sich wie von selbst. „Was hat sie Ihnen erzählt? Sind Marianne und Lexi auch schon weg?“
    „Nun, ich nehme an, Ella war vernünftiger als Sie und hat die Wahrheit gesagt. Finden Sie es unfair, dass Ella gehen durfte und Sie nicht?“
    Ich schneide eine Grimasse. „Ich bin nicht verabscheuungswürdig. Mr s Dashwood hat keine Ahnung, wer ich wirklich bin. Ich meine, ich habe auch gute Seite n …“
    Dr . Fadden beugt sich zu mir über den Tisch.
    „Dann erzählen Sie mir die Geschichte doch einfach mal aus Ihrer Sicht.“
    Ich lehne mich nach vorn, sodass sich unsere Köpfe beinah berühren.
    „Nein.“
    „Nein?“
    „Im Gegensatz zu Ella falle ich meinen Freunden nicht in den Rücken. Ella hat keinen blassen Schimmer, was Loyalität bedeutet. Und wissen Sie was? Ich habe es nicht verdient, hier zu versauern! Wie kann ein Erwachsener überhaupt so was sagen? Und dann auch noch zu einer Sechzehnjährigen! Zu einem jungen, sensiblen Mädchen wie mi r …“
    „Eliza“, sagt Dr . Fadden. „Erde an Eliza! Können Sie mich hören? Tolle Rede, wirklich, aber das alles spricht doch nur dafür, dass Sie mir endlich erzählen sollten, was wirklich passiert ist. Nur so können Sie beweisen, dass die anderen Ihnen Unrecht tun.“
    Ich stelle meine Tasse genau zwischen mich und Dr . Fadde n – ein kleiner, zylinderförmiger Grenzposten.
    „Seh ich eigentlich aus, als wäre ich bescheuert? Glauben Sie im Ernst, ich kaufe Ihnen die Kummerkastenonkel-Nummer ab, bloß weil Sie mir einen Kaffee geholt haben? Seit Woche n – oder waren es Monate ? – hat sich kein Mensch dafür
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