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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern
Autoren: Annette Pehnt
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meine Ungeduld mit Geduld zehnmal, was sage ich, hundertmal auf, es wartet, und als ich weiter nichts sage und mich mit beiden Händen an der nächsten Rückenlehne festhalte, damit ich ihm nichts antue, nickt es wieder und sagt, vor allem Deutsch mag ich, und dann schaut es noch auf meine Finger, die ganz weiß sind vom Festklammern, und sagt, du hast einen tollen Ring. Ich schaue auf den Ring, den mir einmal ein Mann geschenkt hat, es ist ein billiger Messingring, aber ich habe mich an ihn gewöhnt und nehme ihn nie ab, und ich weiß, dass dem Kind der Ring nicht gefällt, Kinder mögen keine einfachen Metallringe, sie wollen Edelsteine, Gold, irgendetwas, das glitzert und funkelt, und dieses Kind hat meinen Ring nur deswegen gelobt, um mir zu gefallen. Scheinheilig sitzt es da und wartet, dass ich lächle und ihm von dem Ring erzähle und mich von ihm bezaubern lasse, einfach nur die Fahrkarte zu zeigen, das wäre zu wenig für dieses Mädchen, es will mehr und eigentlich alles. Das ist es gewohnt: alles zu bekommen, wenn es sich alle Mühe gibt. Es hat sich bei seiner Mama Mühe gegeben, bei seinem Papa wird es das Gleiche tun, es ist gut in Übung, und um nicht aus der Übung zu kommen, versucht es das alles bei mir. Aber da bist du falsch gewickelt, Kleine, solche wie du haben bei mir keine Chance, ich brauche dich nicht, ich weiß, wie ich dich loswerde, deine Bettelaugen, dein ach so höfliches süßes kleines Gesicht mit der bezaubernden Frisur, für die du später, wenn du sie nicht rechtzeitig schneidest, geneckt werden wirst, wie du es überhaupt nicht ganz leicht haben wirst mit deinem Schwanzwedeln, du willst die Liebste sein, die Klügste und die Schönste, die Lehrer lieben dich, aber die Schüler werden dich dafür hassen, jetzt vielleicht noch nicht, jetzt sind alle noch zu klein und wollen doch alle gestreichelt werden, aber später umso mehr, du musst es dir abgewöhnen, so schwer es dir fällt, du wirst es ja immer wieder versuchen, du wirst dich ordentlich ins Zeug legen, mit deinem wachen Blick wirst du dich bis zum Abitur durchstarren, einem glanzvollen natürlich, denn darunter machst du es nicht, du wirst deine Professoren bezirzen und deine Männer und deine Therapeuten, all deine Anstrengung wirst du hineinstecken, die Gedanken der anderen zu lesen, bevor sie überhaupt gedacht sind, und immer wenn es gelingt, wird dich eine Wärme durchglühen, die du mit Liebe verwechselst, wundern wirst du dich noch, du musst dich abhärten, du musst dich selbst streicheln, das kannst du auch lernen, oder dir einen Mann suchen, der dich hinter den Ohren krault, dein Papa reicht nicht und ich schon gar nicht, denn mich kriegst du nicht, du kleines armseliges Schleimerchen, und wenn ich nur ein Wort davon laut sagen würde, würdest du mir auch noch zustimmen, ich weiß es, weil ich dich kenne.
    Immer noch wartet sie, schaut abwechselnd auf den Ring und in mein Gesicht, die kleine Hexe mit dem Rundschnitt, als könnte sie kein Wässerchen trüben, ich greife nach ihr und streife ihre Haare, ich könnte zupacken und daran reißen, dass ihr Kopf gegen die Plastikverschalung der Wand knallt, könnte ihren Kopf nach hinten reißen und warten, dass sie endlich ihre Augen schließt, weil es wehtut, aber meine Hand greift an ihr vorbei nach der Tüte und grapscht eine Handvoll Zuckerbrombeeren heraus, und die stopfe ich mir in den Mund und gehe weiter, drehe mich nicht mehr um und sage erst danke, als ich im nächsten Abteil bin.

    Inzwischen ist es ganz hell, und mein Mund brennt, vielleicht von der Süße der Brombeeren, deren winzige Zuckerperlen mir noch zwischen den Zähnen kleben, es kann auch sein, dass sie mein Gebiss lila färben, ich sollte das überprüfen, denn es wäre unzulässig, mit einem lila Lächeln die Kunden, die Gäste zu empfangen, die sich auf eine Reise und in unsere Hände begeben haben, sie wollen mit einem angemessen gepflegten Lächeln begrüßt werden, nicht verklebt und gefärbt und schon gar nicht verheult. Es kann auch sein, dass heute ein Detektiv unter ihnen ist, jeder könnte es sein außer dem Mädchen, aber diese alte Dame mit der Lektüre könnte es sein oder auch der Kerl dort vorne im Anzug, es wird ein Mann sein, sie nehmen meistens Männer, denn Männer sind die besseren Spitzel, sagen meine Kolleginnen. Der im Anzug wartet
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