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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 04. Wer die Sehnsucht nicht kennt
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zurückgekehrt, und sie hatte ihn seither nicht mehr gesehen.
    Doch was diesen Tag für sie so besonders gemacht hatte, war nicht nur die Tatsache gewesen, daß sie seit Jahren auf den Moment gewartet hatte, in die Welt der Erwachsenen einzutre-ten – und ihr Eintritt war ein voller Erfolg gewesen. Sie hatte auch noch ein denkwürdiges Gespräch oder vielmehr einen Streit zwischen Tante George und Onkel James aufgeschnappt. Es war um einen Brief gegangen, der ihnen ankündigte, daß alle fünf Anderson-Brüder zur Geburt von Georginas erstem Kind nach England kommen wollten. Und diese Nachricht war gleichsam die Krönung von Amys Tag gewesen.
    Er würde wiederkommen!
    Diesmal würde sie die Gelegenheit beim Schopfe packen, ihn mit ihrem Witz und ihrem Charme bezaubern, sich bemerkbar machen, denn sie war überzeugt, daß er sie das erste Mal überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Vielleicht wür-de er sich nicht einmal an sie erinnern. Warum auch? Sie war sprachlos gewesen und wie gelähmt von ihren Gefühlen und hatte sich deshalb gewiß nicht von ihrer Schokoladenseite gezeigt.
    Tatsache war, daß Amy schon vor Jahren körperlich und geistig gereift war, so daß das Warten darauf, endlich von den Erwachsenen ernst genommen zu werden, äußerst aufreibend gewesen war, zumal Geduld nicht eben zu ihren Tugenden zähl-te. Sie konnte recht kühn und schockierend direkt sein und war nicht im geringsten schüchtern oder scheu, wie es eigentlich von einem jungen Mädchen erwartet wurde. Doch sie nahm Rücksicht auf ihre Familie, vor der sie ihr kühnes Wesen weit-gehend verbarg. Tollkühnheit war schön und gut für die Drauf-gänger der Familie – und davon gab es mehr als genug bei den Malorys –, galt aber bei der holden Weiblichkeit als äußerst ungebührlich. Jeremy mußte schon Verdacht geschöpft haben, da sie ihr wahres Wesen vor diesem Lieblingscousin, der ein richtiger Freund für sie war, nicht immer verbarg.
    Und sie würde ihr wahres Wesen auch vor Tante Georges Bruder nicht verbergen, diesmal nicht. Nein, diesmal würde sie sich, was ihn betraf, von ihrer kühnsten Seite zeigen, wenn sie bloß nicht wieder wegen dieser verwirrenden Gefühle kein Wort herausbrächte. Schließlich blieb ihr so wenig Zeit. Denn er kam ja nur zu Besuch nach England, und so würde sie wenig Gelegenheit haben, ihn mit ihrem ganzen Charme zu becircen.
    Es blieb überhaupt nur wenig Zeit, und nach dem, was sie von ihm wußte, würde sie jede einzelne Minute nützen müssen.
    Um mehr über ihren zukünftigen Ehemann zu erfahren –
    und sie war felsenfest überzeugt, daß er ihr Ehemann werden würde –, hatte sie sich mit ihrer Tante George, die nur vier Jahre älter war als sie, enger angefreundet. Sie hatte mit ihren regelmäßigen Besuchen bei Georgina schon begonnen, als sie und Onkel James noch bei Onkel Tony am Piccadilly wohnten.
    Als sie dann ihr neues Haus am Berkeley Square einzurichten begannen, hatte Amy ihnen ihre Hilfe angeboten. Und bei jedem Besuch hatte sie das Gespräch geschickt auf Georginas Brüder gelenkt, und Georgina erzählte ihr über sie, ohne daß sie direkte Fragen stellen mußte.
    Niemand sollte von ihren heimlichen Absichten erfahren, denn sie wollte nicht zu hören bekommen, daß sie zu jung sei für den Mann, auf den sie es abgesehen hatte. Möglich, daß sie damals zu jung gewesen war, aber heute nicht mehr. Und Georgina, die ihre Brüder schrecklich vermißte, war entzückt gewesen, über sie plaudern zu können, hatte Kindheitserlebnis-se geschildert und all die Streiche, die sie ihr gespielt hatten, dazu die Abenteuer und Mißgeschicke, in die sie verwickelt gewesen waren, seit sie das Mannesalter erreicht hatten.
    Amy hatte in Erfahrung gebracht, daß der jüngste Bruder, der siebenundzwanzigjährige Boyd, ernst wie ein alter Mann war. Drew mit seinen achtundzwanzig Jahren war der Luftikus und Charmeur der Familie. Thomas war zweiunddreißig und besaß die Geduld eines Heiligen. Nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen, nicht einmal Onkel James, der es immer wieder darauf angelegt hatte. Warren, eben sechsunddreißig geworden, war der Arroganteste von allen, der Zyniker der Familie.
    Ein Grübler, meinte Georgina, zudem ein Schurke, was Frauen betraf. Und schließlich war da noch Clinton, mit einundvierzig das Oberhaupt der Anderson-Familie. Er war ernsthaft, allem Leichtsinn abgeneigt, ganz wie Jason Malory, das Oberhaupt des Malory-Clans und dritter Marquis von Haverston. Und tatsächlich
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