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Malory

Malory

Titel: Malory
Autoren: 04. Wer die Sehnsucht nicht kennt
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benutzt. In Wirklichkeit wollte er James Malory endgültig aus der Welt schaffen, weil dieser Georgina kompromittiert hatte – und das auf einem Fest, bei dem ihre halbe Heimatstadt, Bridgeport in Connecticut, zugegen gewesen war.
    Ja, Warren war maßgeblich schuld daran, daß sich ihr Mann und ihre Brüder noch immer feindlich gesonnen waren. Aber auch James hatte seinen Teil dazu beigetragen; er hatte nämlich mit seiner scharfen Zunge die ursprüngliche Feindseligkeit erst heraufbeschworen. Und nachdem er sie, Georgina, nach England gebracht hatte, stellte sich heraus, daß er es mit voller Absicht getan hatte, damit ihre Brüder ihn zwingen würden, sie zu heiraten, was dann auch sofort geschah; doch damit war das Gerede vom Galgen nicht aus der Welt geschafft, zumindest nicht, was Warren betraf.
    Trotzdem konnte Georgina auch Warrens Standpunkt verstehen. Ihre Brüder hatten die Engländer schon vor dem Krieg von 1812 gehaßt, vor allem wegen der Blockade europäischer Häfen durch die britische Flotte, die die Skylark-Schiffahrtsli-nie viele ihrer etablierten Handelsrouten gekostet hatte.
    Außerdem hatten die Engländer zahlreiche Skylark-Schiffe angehalten, geentert und nach Deserteuren durchsucht, um ihre Regimenter aufzufüllen. Warren hatte noch heute eine kleine Narbe an der linken Wange von einem dieser gewaltsa-men Entermanöver; die Engländer hatten darauf bestanden, mehrere Leute aus seiner Mannschaft zwangszurekrutieren, und er hatte alles getan, um es zu verhindern.
    Nein, keiner ihrer Brüder hatte viel für die Engländer übrig, und der Krieg hatte diese Abneigung noch verstärkt. So war es nicht verwunderlich, daß sie James Malory, den englischen Viscount, der einst der berüchtigtste Frauenheld von ganz London gewesen und obendrein ein Ex-Pirat war, nicht als gut genug für ihre einzige Schwester befanden. Wenn diese ihren Mann nicht bis zum Wahnsinn geliebt hätte, hätten sie Georgie nie bei ihm gelassen, als sie die beiden schließlich in London aufgespürt hatten. Und James wußte das; ein weiterer Grund dafür, daß er nie freundschaftliche Gefühle für ihre Brüder würde hegen können.
    Doch James und sie würden heute nacht nicht mehr davon sprechen. Es war zur Zeit ein äußerst heikles Thema, und James und Georgina hatten gelernt, heikle Themen aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Nicht, daß in diesem besonderen Raum oder in jedem anderen keine heftigen Auseinandersetzungen stattfinden konnten. Doch im Schlafzimmer neigten sie dazu, sich anders zu zerstreuen und somit strittige Themen zu entschärfen.
    Sie hatten sich eben – auf sehr angenehme Weise – zer-streut, und James hielt Georgina noch immer in den Armen und knabberte an ihrem Ohrläppchen, was darauf schließen ließ, daß sie sich bald ein zweites Mal zerstreuen würden. Sie fand es unglaublich amüsant, daß James und Anthony, beide bekehrte Schürzenjäger der schlimmsten Sorte, von Enthaltsamkeit in den letzten Schwangerschaftswochen ihrer Ehefrauen sprachen und es beide furchtbar komisch fanden, alle Welt, Freunde wie Verwandte, glauben zu machen, sie würden den Rat der Ärzte befolgen und entsetzlich darunter leiden.
    Sogar James’ Sohn Jeremy war darauf hereingefallen und hatte Trost zu spenden versucht, indem er rührend besorgt erklärte: »Was zum Teufel sind schon zwei Wochen! Wenn ich daran denke, daß wir früher zwischen zwei Häfen sehr viel länger auf See waren ...«
    Das Amüsanteste daran war, daß Jeremy, der eifrig in die Fußstapfen seines Vater getreten war, es eigentlich besser hät-te wissen müssen. Er hätte erkennen müssen, daß zwei Meister der Liebeskunst, wie James und Anthony es waren, das Diktat des Arztes zu umgehen wußten, indem sie sich und ihren Frauen auf andere Weise Lust verschafften.
    James hatte, ebenso wie Anthony, dieses Theater genossen, wenigstens bis zu dem Tag, als der Brief aus Amerika ins Haus geflattert war. Alles andere als Theater aber war seine finstere Laune, gegen die niemand gefeit war, vor allem dann nicht, wenn er mit seinen ironischen Spitzen blindlings und doch mit absoluter Treffsicherheit um sich schoß.
    Auch Georgina hatte schon mehrere Spitzen abbekommen, hatte aber die perfekte Waffe gefunden, um zurückzuschlagen
    – indem sie nämlich nicht zurückschlug, was ihren geliebten Ehemann rasend vor Zorn machte.
    In diesem Augenblick war er allerdings alles andere als zornig. Er verschwendete nicht einen einzigen Gedanken an den bevorstehenden Besuch
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