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Mallorca Schattengeschichten

Mallorca Schattengeschichten

Titel: Mallorca Schattengeschichten
Autoren: Alex Conrad , Elke Becker
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könnte er noch leben. Was hat ihn dazu gebracht, rauszugehen?«
    »Er liebte Tiere. Bestimmt wollte er die Opfertiere losmachen, damit sie nicht vom Blitz erschlagen werden«, flüsterte Sami von den Pedres.
    »Was für ein Unsinn. Sie wären ohnehin geopfert worden«, warf der Anführer der Xots ein.
    »Ein Tieropfer war für Sabio etwas Heiliges, der sinnlose Tod von Tieren nicht. Er hat wohl helfen wollen«, widersprach Sami.
    Keiner wagte zu sprechen.
    Nach langen Minuten seufzte Rossa: »Und was machen wir nun? Wir brauchen einen Nachfolger und müssen überlegen, wer unseren Talayot nun weihen soll.« Sie war in den vergangenen eineinhalb Jahren erwachsen geworden.
    Fill del Grosso blickte sie lange an, da wurde auch ihm bewusst, wie sehr sie sich verändert hatte. Er spürte eine Kraft, die von ihr ausging, die auch von den anderen nicht unbemerkt blieb. »Hast du nicht Sabio oft geholfen, wenn er seine Rituale vorbereitete, als wir noch keinen Talayot hatten?«
    »Ja, das weißt du doch«, antwortete Rossa.
    »Dann sollst du, wenn alle einverstanden sind, Sabios Nachfolgerin sein. Du wirst nach Son Fornés gehen, wie er seinerzeit. Dort wirst du die Rituale der Wissenden erlernen. Sobald du zurückkehrst, wird unser Talayot von dir geweiht werden. Wer mir zustimmt, trete einen Schritt vor.«
    Bis auf Rossas Vater traten alle vor. »Ich will sie nicht verlieren«, schrie er auf.
    »Sie wird, wenn sie zurückkehrt, weiter bei deiner Sippe leben, du wirst sie nur zwei Jahre nicht sehen«, bestimmte Fill del Grosso.
    Rossa blickte umher. »Ihr bestimmt über mein Leben, als sei ich ein Opfervieh! Was fällt euch ein?«
    »Du weißt, in einer Sippengemeinschaft hat jeder eine Aufgabe zu erfüllen. Deine Aufgabe war bisher, Sabio zu helfen, Kräuter zu sammeln und ihm auch sonst zur Hand zu gehen. Schon da musste dir klar sein, dass diese Aufgabe nicht endet, wenn Sabio nicht mehr unter uns weilt«, beschwichtigte Sami.
    »Du wirst eine gute Wissende werden. Wir freuen uns bereits auf deine Rückkehr«, bekräftige Fill del Grosso.
    »Wollt ihr das wahrhaftig?« Rossa blickte in die lächelnden Gesichter.
     
    Nach zwei Jahren, auf den Tag, kehrte Rossa nach Son Fred zurück. In Son Fornés hatte sie bei Intimo, dem dortigen Wissenden, gelernt, was es zu lernen gab. Nach einem großen Wiedersehensfest legte man den Tag der Weihe fest. Sie sollte in zehn Tagen stattfinden. Die Vorbereitungen waren in vollem Gange.
    Zum Gehilfen erwählte sich Rossa den jüngsten Sohn der Pedres. Er ging mit ihr Kräuter sammeln, bereitete das Feuerholz für drinnen und den Feuerplatz für draußen vor.
    Die Sippenmitglieder versammelten sich und warteten auf Rossa, die sich im Talayot in Trance auf die Zeremonie vorbereitete. Wie Sabio spürte sie die Kraft des Ortes und stärkte sich an ihr.
    Rossa trat heraus. »Wir möchten heute Sabios gedenken, der stolz auf uns wäre, dass wir sein Werk fortführen. Entzündet Eure Fackeln, und lasst uns beginnen!«
    Diesmal störte kein Gewitter den Ablauf der Feier, die sich bis zum Tagesanbruch hinzog. Gegen Morgen schliefen sie erschöpft um die Reste des Feuers ein.
     
    Mehr als dreitausend Jahre später zog ein junges Paar ganz in die Nähe des immer noch gut erhaltenen Talayots von Son Fred. Peter und Julia. Sie kannten die Insel und das Phänomen der Gota fría , des kühlen Tropfens . Zwischen Ende August und Mitte September zogen kalte Luftmassen über das warme Mittelmeer, und die Feuchtigkeit stieg auf. Dadurch entstanden die heftigen Sommergewitter, von denen manchmal sogar mehrere gleichzeitig die Insel umkreisten.
    Peter und Julia liebten diese Gewitter und konnten sich nicht sattsehen an diesem Naturkino.
    Eines Tages, Anfang September, verdunkelte sich gegen Mittag der Himmel von Osten her, und die Bäume leuchteten unwirklich grün vor dem schwarzen Himmel, der das Spektakel ankündigte.
    »Heute geht es los. Endlich mal wieder ein Gewitter. Komm, lass uns auf der Terrasse sitzen und zuschauen«, sagte Peter zu Julia, und griff sich zwei Weingläser.
    Erwartungsvoll gingen sie nach draußen. Es dauerte nicht lange, da zuckten in der Ferne die ersten Blitze. Mittlerweile verbargen die nachtschwarzen Wolken das Tramuntanagebirge im Westen.
    »Wow, heute kommt es mal wieder von allen Seiten«, freute sich Peter.
    Julia stand auf. »Ich ziehe mal besser den Telefonstecker aus der Dose, bevor uns wieder das Modem kaputtgeht oder noch mehr.«
    Als sie auf die Terrasse zurückkam,
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