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Malina

Malina

Titel: Malina
Autoren: Ingeborg Bachmann
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Unter-den-Tisch-Kehrens und fettigen Wiederauferstehens an den Wirtshaustischen der Kleinstädte, schreibt verzweifelt um einen Ort, von dem sie weiß, daß sie ihn nicht finden wird, ebensowenig wie die Figur ihres Trotta (der Sohn jetzt) in der Erzählung »Drei Wege zum See«, ein »Exterritorialer«, ein Überbleibsel, eine Art abgehacktes Glied, das sie von Joseph Roth hinüberführt in den Weltuntergang von 38 und später dann in den eigenen, nach dem Krieg. Die Bachmann schreibt gegen jene Kosmopolitaner, die schon wieder in ihren neuen Autos nach »Fenedig« fahren – mittlerweile wissen die, wie man ganz andere ausländische Ortsnamen ausspricht (aber in ihrem schönen Bundesland dulden sie keine »ausländischen« Ortstafeln!). Die Bauunternehmer und Honoratioren der österreichischen Provinz, »die nur noch auf das Läuten der elektrischen Kegelbahnen hören«, mit Mäulern, die »wie Sparbüchsenschlitze sind« (Peter Handke in »Über die Dörfer«), können ihren Schriftstellern keine Bleibe bieten. Und so schreiben sie in ihren besten Werken und schreibt Ingeborg Bachmann eine Literatur des unaufhörlichen Haltsuchens und Nicht-Halt-Findens. Die Bachmann hat gewußt, daß sie hier nicht bleiben konnte. Hier nicht, aber auch nirgendwo sonst, obwohl sie in ihrem römischen Exil wohl ganz glücklich gewesen ist. Nicht in ihrer eigenen Sprache, deren Zerstörung schon längst beschlossen war, beginnend bei denen, die »mal« sagen statt »einmal«, was sie wahrscheinlich »im Taunus« gelernt haben, dem Inbegriff des »Hunnenlandes« (»Requiem für Fanny Goldmann«); ein Neudeutsch, das als Universalschlüssel alle Türen öffnet, auf die es heutzutage ankommt, nur die eine eben nicht, aber wer will denn dort noch hinein, in diese Kapuzinergruft. Nicht in der Liebe, in der immer wieder die Frau gemordet wird wie das Gefühl vom Verstand, und die Liebesgeschichten werden Bücher »über die Hölle«. Nicht in der beliebten kleinen vorgefertigten Naßzelle namens »Familie«, denn der Vater ist der allerschlimmste Mörder, der die Tochter auf hunderterlei Arten vergewaltigt und umbringt (wie in den entsetzlichen Traumkapiteln in »Malina«), und die Mutter ist seine schweigende, ja abwesende Komplizin, die weibliche Macht ist gebrochen. Nicht in ihrem Land, in dem längst jene das Sagen haben, die in ihren Köpfen nicht darüber hinauskommen, worüber sie im Leben nicht hinauskommen, wo im Denken das Irrationale über den klaren Ausdruck Triumphe feiert und die herrschende Klasse sich seit der Nachkriegszeit zu »führenden Kreisen« in Salonsteirern und Salondirndln verharmlost hat. Nicht einmal ihrer unversehrten Integrität als Person kann die Ich-Erzählerin in der »Autobiographie« Malina gewiß sein. Im Verlaufder Erzählung wird Malina, der männliche Partner, zum Kannibalen, der die Identität der Frau schrittweise auffrißt, sich immer mehr in den Vordergrund spielt, bis die Frau in der Wand verschwunden ist und der Mann ihren Platz eingenommen hat. »Die gewiß künstliche Konstruktion, alles getrennt zu halten, funktioniert nicht mehr. Malina drängt immer weiter in den weiblichen Raum vor« (Ria Endres). Dieser Todeskampf hinterläßt nicht einmal Spuren. Und da ist auch noch die manchmal rührende Suche der Lehrerstochter Ingeborg Bachmann nach einem Ort in der Gesellschaft, an dem sie sich niederlassen könnte. Die sogenannte gute Wiener Gesellschaft hat in ihr eine Protokollantin gefunden, ist noch einmal, nach Schnitzler, Hofmannsthal, Musil in die Literatur eingetreten, und natürlich ist auch diese »Gesellschaft der allergrößte Mordschauplatz« (aus: »Malina«). Je besser man die Spielregeln beherrscht – und die Damen wissen hier genau, um wieviel Uhr man auf keinen Fall zum Gerstner gehen kann und an welchen Tagen auf keinen Fall ins Theater in der Josephstadt –, je mehr sie also wissen, desto weniger gehören sie dazu. Denn der winzige Anstoß eines Gefühls genügt schon, diese Frauen aus ihrer Umlaufbahn zu drängen, in die sie nie wieder hineinfinden.
    Sicher haben manche der Bachmann befohlen,»glücklich« zu sein, wie Ivan, der unveränderliche, Extrawurst essende Geliebte in »Malina«, es seiner Freundin vorschreibt, die sich buchstäblich zerreißen kann und ihm doch nie näherrückt, »und wie Ivan sind die meisten Menschen« (aus einem Interview).
    Ingeborg Bachmann hat diesem Befehl nicht gehorchen können. Auf ihrem Grabstein in Klagenfurt-Annabichl stehen ihr Name
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