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Malina

Malina

Titel: Malina
Autoren: Ingeborg Bachmann
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aufzieht über Balken, sich bedeckt mit einer Plane. Nirgendwo sein, nirgendwo bleiben« (aus: »Undine geht«). Die Frau liebt so außerordentlich, daß dieser Liebe nichts entsprechen kann. Was für den Mann Episode ist, ist für sie der »Transformator, der die Weltverändert, die Welt schön macht« (aus einem Interview).
    Bei Kafka leiden die Männer vielleicht mehr als die Frauen oder haben weniger Widerstandskraft. Aber die Frauen leiden immer ohne Schuld und zwar nicht so, daß sie etwa »nicht dafür können«, sondern im eigentlichsten Sinn, der allerdings wieder in das »nicht dafür können« mündet (aus: »Briefe an Milena«). Bei der Bachmann leiden die Männer manchmal, aber die Frauen können nicht anders als leiden. Nach diesen Rissen, die sich in den Leben der Bachmannschen Frauen ausbreiten (jener »Riß im Zentrum« der Virginia Woolf), nachdem ihnen ihr Geschlecht »herausgerissen« wurde (»Der Fall Franza«), nachdem man ihr Leben »ausgeschlachtet« hat (der Jungdichter Toni Marek in »Requiem für Fanny Goldmann«: »Er hatte sie ausgeweidet, hatte aus ihr Blutwurst und Braten und alles gemacht, er hatte sie geschlachtet, sie war geschlachtet auf 386 Seiten in einem Buch« ... Ähnliches soll auch der Person Ingeborg Bachmann schon passiert sein), gibt es nur mehr das Nichts, das Schwarze Loch.
    Die Frau ist das Andere, der Mann ist die Norm. Er hat seinen Standort, und er funktioniert, Ideologien produzierend. Die Frau hat keinen Ort. Mit dem Blick des sprachlosen Ausländers, des Bewohners eines fremden Planeten, des Kindes, das noch nicht eingegliedert (»ge-gliedert«) ist, blickt die Frau vonaußen in die Wirklichkeit hinein, zu der sie nicht gehört. Auf diese Weise ist sie aber dazu verurteilt, die Wahrheit zu sprechen und nicht den schönen Schein. »Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar«, sagt Ingeborg Bachmann. Der Ausgangsort der Dichterin ist Kärnten, jenes österreichische Bundesland, das wie ein Katapult auch schon andere Dichter und Denker von sich geschleudert hat. Es muß auch von Ortlosigkeit die Rede sein. Nicht von Heimatlosigkeit, denn das Wort Heimat ist schon besetzt, es wird am liebsten von jenen (wie auf einer riesigen Weinkost) genießerisch im Mund herumgewälzt, die – gewiß rein »daitsche« Kärntner – den alles Bestehende verewigenden unsichtbaren Gamsbarthut wie einen Heiligenschein um den Kopf schweben haben, während sie anläßlich des alljährlichen Bachmannwettbewerbs der neuen Preisträgerin die sogenannte Sinnfrage stellen. Kärnten, das Bundesland, das seinen slowenischen Bürgern immer noch die ihnen zustehenden Rechte verweigert. Laut Aussage des verstorbenen Bundeskanzlers Bruno Kreisky hat er in Kärnten die größte Nazi-Demonstration nach dem Krieg erlebt. Ingeborg Bachmann hat den Einmarsch von Hitlers Truppen als die größte Katastrophe, als das »Entsetzliche« schlechthin in Klagenfurt erlebt, als einen »zu frühen Schmerz«, wie sie ihn »in dieser Stärke später überhaupt nicht mehr hatte«. Sie hatdiese größte nicht nur Menschen-, sondern Kulturvernichtungsmaschinerie und ihr brutales »Brüllen, Singen, Marschieren« als Aufkommen erster Todesangst erfahren. Was die Dichterin aus dieser zerstörten Kultur, aus der daraus resultierenden »Unkultur« zu retten versucht hat, ist ihre Zunge. Eine der wenigen geretteten österreichischen Zungen, die auf den verbohrten Provinzialismus von »Musikantenstadln« mit schöner Weltläufigkeit geantwortet haben, darin etwa einer Djuna Barnes ähnlich. Als Bewohnerin eines Grenzlandes, mit der benachbarten italienischen und der slowenischen Sprache (aus der sie zum Teil selbst herkam), schrieb sie als eine der wenigen schon in den fünfziger Jahren eine Art kosmopolitischer Literatur. Karl Kraus hat als das Beste am österreichischen Erbe dessen slawische und jüdische Komponenten geradezu verzweifelt (und schon resignierend) beschworen, und zwar gegen das Deutsche. »Dichter wie Grillparzer und Hofmannsthal, Rilke und Robert Musil hätten nie Deutsche sein können. Die Österreicher haben an so vielen Kulturen partizipiert und ein anderes Weltgefühl entwickelt als die Deutschen. Ihre sublime Serenität erklärt sich daraus ...« (I.   Bachmann in einem Interview). Auf den Grabsteinen der Bachmannschen Toten steht nicht Ruhe sanft, sondern JEZUSU KRISTUSU JE ZIVIJENJE IN VSTAJENJE . Die Kosmopolitin schreibt, schon auf verlorenemPosten in diesen fünfziger Jahren des selbstbewußt
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