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Malina

Malina

Titel: Malina
Autoren: Ingeborg Bachmann
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kann nur die wirklich bestehlen, die magisch leben, und für mich hat alles Bedeutung.« Oder: »Wie konnte sie ihm bloß klarmachen, daß sie ausgemerzt werden wollte? Ja, ausgemerzt, das war es.« Oder: »Mein Körper ist ganz beleidigt, an jeder Stelle beleidigt.« Oder: »Ich bin eine Papua.«
    Der Faschismus muß die sexuelle Autonomie der Frau negieren, und dieses Ideal der entsinnlichten Frau bringt die Frau schließlich dazu, ihre Sexualität selbst zu verneinen. Da es die Frau als Subjekt auch in der Liebe nicht geben darf, muß sie ihrer eigenen Auslöschung zustimmen, in einer Art Todestrieb, dessen wahre Auslöser die Bachmannimmer benannt hat. Sie hat die Verursacher jener immerwährenden Versagungsakte beschrieben, durch die die Frau gezwungen wird, sich schließlich selbst zu verneinen. Die beiden Männer Ivan und Malina brauchen einander (zwei Platzhirsche, jeder in seinem Revier) nicht einmal wahrzunehmen, während sie die Frau zwischen sich zerquetschen, und Malina tabuisiert die erotische Liebesbeziehung der Ich-Erzählerin mit Ivan, und in ähnlicher Weise tabuisiert der Herausgeber des Bandes »Ingeborg Bachmann – Bilder aus ihrem Leben« genau jene unerschöpfliche Triebkraft zum Schreiben der Bachmann: das Wissen um die Unmöglichkeit der Liebe, sogar der glücklichen Sexualität zwischen Männern und Frauen. Männern ist auf diesen Fotos fast immer der Eintritt verboten worden (mit Ausnahme jener »Freunde und Kollegen«), und die Dichterin tickt allein im leeren Raum, eine Uhr, von der man nicht sehen darf, wer sie aufzieht.
    Folgerichtig muß das Sein, das nichts ist, das nicht Ich sagen kann und darf, das zum Tode verurteilte weibliche Sein, diese »ewige Quelle von Unordnung« (Elisabeth Lenk) im Roman »Malina«, dem einzigen fertiggestellten Teil des »Todesarten«-Zyklus, in einem Riß in der Mauer verschwinden, sich auflösen. Das Nichts muß tatsächlich zu nichts werden. Nichts zu nichts wie Asche zu Asche. Malina (jeder würde das für einen Frauennamen halten,und genau das war die Absicht), der strenge Vater, das gesellschaftliche Über-Ich (und gleichzeitig die männliche Komponente der Ich-Erzählerin), besorgt die nahtlose Einpassung dieser Ich-Erzählerin in die männlich geprägte Ordnungswelt, indem er sie vollständig verdrängt und ihren Platz einnimmt. Malina bleibt in einer wohlgefügten, aufgeräumten Welt übrig, »er lebt, weil er die Beschäftigung mit dem Kriegswesen zu seinem Beruf gemacht hat« (Ria Endres).
    Malina arbeitet im Österreichischen Heeresmuseum, Staatsbeamter der (Güte-)Klasse A. Dieses gewaltsame Hineinpressen der Frau in die männlich-ordentliche Sozialisation wird von der Bachmann als Verbrechen dargestellt und als solches beim Namen genannt. Der letzte Satz in »Malina« lautet – und kürzer kann man es nicht sagen – »Es war Mord«. Und in »Der Fall Franza« heißt es (die weibliche Hauptfigur, Franza, fährt nach ihrer Ehekatastrophe mit dem Professor Jordan, dem »Fossil«, das die Auslöschung ihrer Person mit großem Fachwissen und gründlicher Methodik durchgeführt hat, zusammen mit ihrem Bruder, einem Geologen, nach Ägypten): »Ihr Denken riß ab, und dann schlug sie, schlug mit ganzer Kraft, ihren Kopf gegen die Wand in Wien und die Steinquader in Gizeh und sagte laut, und da war ihre andere Stimme: Nein. Nein.« Franza stirbt an einem Blutgerinnselim Gehirn, doch da ist sie schon längst nicht mehr am Leben.
    Diese entsetzlichen Trennungen. Die Männer können das, was sie nicht lieben können, nicht am Leben lassen, und das, was sie lieben, auch nur kurz. Ingeborg Bachmann weiß, daß Männer das, was sie Liebe nennen, bestenfalls als etwas von außen Kommendes, vielleicht sogar Angenehmes empfinden, möglicherweise als ihre Art Versöhnung mit der Welt, als kurzzeitig gelungene Normalisierung nach Zeiten von Vereinzelung, Vereinsamung, die der Mann als Mitglied der normenbildenden Kaste ertragen kann, die Frau aber nicht. In der Kunst ist die Liebe wenigstens mitteilbar. Aber zwischen Ich und dem Geliebten gibt es keine Kommunikation. Wo sie ist, kann er nie sein, und umgekehrt. »Für sie ist es etwas Ungeheures, wenn das Telephon läutet, für ihn ist das einfach ein Telephonanruf« (aus einem Interview). Und: »Wenn das Geständnis abgelegt war, war ich verurteilt zu lieben; wenn ich eines Tages freikam aus der Liebe, mußte ich zurück ins Wasser gehen, in dieses Element, in dem niemand sich ein Nest baut, sich ein Dach
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