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Malina

Malina

Titel: Malina
Autoren: Ingeborg Bachmann
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einen Frau ist das Leid aller Frauen. Ist doch auch Die Frau gleich allen anderen Frauen. Der allen Frauen gemeinsame spezielle Unterleib macht aus allen Frauen eben die eine allen anderen gleiche Frau; das gibt Frieden und wärmende Gemeinsamkeit. Die in ihrem Bett brennende Dichterin (und mit ihr all die brennenden Frauen mittelalterlicher Städte, die ihrer weiblichen Bevölkerung mittels Feuers ledig geworden) ist alle Frauen und gleichzeitig keine Frau, weil die Frau nichts ist. Aber nicht jede Frau ist eine Dichterin, und vor weiblicher Einheitsseligkeit ist zu warnen. Hier wird kaum von einer Biographie die Rede sein, eine Biographie ist ein zu weiches Bett für die Werke der Bachmann, und ein solches Bett steht uns nicht zu.
    Ingeborg Bachmann ist die erste Frau der Nachkriegsliteratur des deutschsprachigen Raumes, die mit radikal poetischen Mitteln das Weiterwirken des Krieges, der Folter, der Vernichtung in der Gesellschaft, in den Beziehungen zwischen Männernund Frauen beschrieben hat. Die Rolle der Frau als biologisch minderwertiges Sein (und nichts sonst), als »Paria« (Elisabeth Lenk), ist, in ihrer ewigen Unterwerfung, genau die richtige Mischung für die faschistische Ideologie. Die Frau ist reine Natur, dem Blut und dem Boden verwandt, Ruheort für den Mann, der zu den Haltegriffen seiner ewigen Waffen eilt. Die Frau ist der Humus für die Mythenbildung. Sie wird aus der Sphäre der gesellschaftlichen Produktion verdrängt und damit aus der Geschichte, auf »Zeitlosigkeit« (Gerburg Treusch-Dieter) festgelegt, der Welt von Tier und Pflanze zugesellt, verewigt, reines Bild. »Der Faschismus ist das erste in der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau ...« (I.   Bachmann). Im Faschismus ist die Frau, wagt sie es, über ihre Rolle als Gebärerin und Pflegerin hinauszutreten, Seuche, Feind im Inneren, »Fäulnis auf Raten« (Céline). Sie wird zur allgemeinen Verderberin, zum Feind von außen. Wie die Juden.
    Im Entwurf zur Vorrede für den (unvollendeten) zweiten Teil des Romanzyklus »Todesarten«, in »Der Fall Franza«, schreibt die Bachmann: »Todesarten, unter die fallen auch die Verbrechen. Das ist ein Buch über ein Verbrechen. Es ist mir ... oft durch den Kopf gegangen, wohin das Virus Verbrechen gegangen ist – es kann doch nicht vor zwanzig Jahren plötzlich aus unserer Welt verschwunden sein,bloß weil hier Mord nicht mehr ausgezeichnet, verlangt, mit Orden bedacht und unterstützt wird. Die Massaker sind zwar vorbei, die Mörder noch unter uns, oft beschworen und manchmal festgestellt ... Ja, ich behaupte und werde nur versuchen, einen ersten Beweis zu erbringen, daß noch heute sehr viele Menschen nicht sterben, sondern ermordet werden ... Das Gemetzel findet innerhalb des Erlaubten und der Sitten statt, innerhalb einer Gesellschaft, deren schwache Nerven vor den Bestialitäten erzittern.«
    Gegen die resoluten Ärmelaufkrempler des neuen Positiven ist eine solche Literatur geschrieben. Ihre Vernichteten sind immer Frauen. Diese »Todesarten« werden von Frauen erlitten, Unpersonen, die keine Stimme haben, denen der Faschismus, konsequent, sogar ihre staatsbürgerlichen Rechte absprach, waren sie nicht verheiratet. (Bachmann: »Die Ehe ist eine unmögliche Institution. Sie ist unmöglich für eine Frau, die arbeitet und die denkt und selber etwas will.«) Den Selbsthaß, die Selbstverachtung, die daraus resultieren, hat die Bachmann beschrieben. Denn die Liebe ist die Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln. Auf diesem Schlachtfeld erfolgt eine oft blutige, manchmal unblutige Vernichtung des Weiblichen, das nie Subjekt werden darf, immer Objekt bleiben muß, Gegenstand von gesellschaftlich nicht anerkannten Arbeitsverträgen, genannt Ehe. Franza Jordan, Fraueines Kriminellen mit Krawatte (kein Zuhälter! Vielmehr »ein großer Seelenhirte«, Psychiatrieprofessor in Wien), wird von diesem Ehemann wie ein Insekt lebendig auf eine Nadel gespießt und seziert. Ihr Körper, ihre Gefühle, ihre Arbeitskraft werden ihr in einem Akt der gleichsam ganzkörperlichen Lobotomie Zug um Zug entrissen, bis die leere Außenhaut übrigbleibt, sozusagen ein weiblicher Zombie, oder doch nicht einmal ein weiblicher, ein entgeschlechtlichter, unblutig der gesellschaftlichen Kadaververwertung zugeführt. Sein wird, durch diesen perfiden Ausschluß aus der Sphäre der ablaufenden gesellschaftlichen Prozesse, zu Nichtsein. Franza ist »von niedriger Rasse. Oder müßte es nicht Klasse heißen. Man
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