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Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt

Titel: Malfuria. Das Geheimnis der singenden Stadt
Autoren: Christoph Marzi
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viele davon bereits in Vergessenheit geraten waren.
    Wieder musste er an die fliegende Galeone denken und das, was ihm sein Vater über die Hexen erzählt hatte. Dass es eine Zeit gegeben haben sollte, in der Häscher in fliegenden Schiffen auf der Suche nach Hexen das Land durchstreift hatten, klang unglaublich. Doch wohnt nicht jedem Märchen auch eine gehörige Portion Wahrheit inne? Jordi hatte die Galeone gesehen, daran bestand kein Zweifel.
    Ein Hund bellte ihn an und Jordi schrak zusammen. Er tat es schon wieder – das, was sein Vater so an ihm hasste. Er träumte in den Tag hinein. Hastig verlängerte er seine Schritte und lief durch die Straßen und Ramblas, bis er endlich sein Ziel erreicht hatte.
    Der Laden des Leuchtgefäßemachers befand sich in der Costa Vella nahe der Carrer de Santa Eulalia, einer schmalen Gasse, in der es nur wenige Geschäfte gab.
    Jordi klopfte gegen die kleine runde Holztür und wartete ungeduldig. Nach einigen Augenblicken wurde ihm geöffnet. Ein großer Mann, der dünn war wie ein Streichholz und einen braunen Kaftan trug, reckte seinen Kopf aus dem Türrahmen hinaus ins Sonnenlicht.
    »Aha, der junge Marí«, sagte er nur und trat zur Seite, sodass Jordi an ihm vorbei in den Laden schlüpfen konnte. »Ist dir mal wieder einer kaputtgegangen?« Der Mann lächelte wissend. Isidor Villàngomez fertigte die meisten seiner Glühstäbe in mühsamer Handarbeit an. Er war ein wahrer Meister seines Fachs. Glühstäbe für das Drehfeuer eines Leuchtturms konnte man in der ganzen Stadt nur hier erwerben. Es war also nicht weiter verwunderlich, dass Villangòmez seine Kundschaft kannte.
    »Dein Vater ist schon lange nicht mehr in der Stadt gewesen. Wie geht es ihm?«
    »Wir haben jede Menge zu tun«, log Jordi.
    Der dünne Mann nickte. »Wie viele brauchst du denn heute?«
    »Einen einzigen nur.«
    »Du hast Glück.« Er führte den Jungen in einen Raum voller Kisten, aus denen Stroh quoll und die vollgestopft waren mit Glühstäben und Glühbirnen und Leuchtröhren. Villangòmez stakste zielstrebig auf eine der Kisten zu, wühlte darin herum und hielt schließlich das in der Hand, weswegen Jordi hergekommen war. »Der hier ist der einzige und gleichzeitig auch der letzte Glühstab, den ich dir verkaufen kann«, verkündete der Leuchtgefäßemacher. »Der Lichtleuchter aus Nova Cariá ist bereits gestern hier gewesen und hat gleich vier mitgenommen.« Er grinste und entblößte dabei eine Reihe von Goldzähnen. »Hat vielleicht auch einen ungeschickten Sohn, wer weiß, wer weiß?«
    Jordi fand den Spruch alles andere als witzig. »Einer reicht mir«, sagte er knapp.
    Villàngomez gab ihm den Glühstab, sodass er ihn begutachten konnte. Jordi drehte den Glaskolben mit den filigranen Drähten im Inneren hin und her. Er wusste, worauf er beim Kauf eines Glühstabs achten musste. Manchmal waren die Drähte verbogen. Dann glommen sie nur unzureichend und das Licht war zu schwach für den Leuchtturm. Der Stab war so lang wie sein Unterarm und unter dem gelblich glänzenden Glas umschlangen die Drähte einander, bevor sie in einem silbrigen Ding endeten. Elektrizität, das wusste Jordi, war das, was Magie am nächsten kam. Mächtiger noch als die Dampfkraft, die in den Fabriken auf dem Land und in den Katakomben Barcelonas hergestellt wurde.
    »Zufrieden?«, fragte Villàngomez.
    Jordi nickte. »Ich nehme ihn.« Er reichte dem Händler das Geld und damit war der Kauf besiegelt.
    Villàngomez wickelte den Glühstab in festes braunes Papier ein.
    »Lass ihn nicht fallen«, riet er dem Jungen.
    Jordi zog es vor, den Mann nicht weiter zu beachten. Er bedankte sich und machte sich auf den Heimweg. Die Sonne senkte sich langsam über der Stadt und er würde sich beeilen müssen. Wenn sein Vater erst einmal aus seinem Schlaf erwacht wäre und das Drehfeuer einschalten würde, dann wäre es zu spät.
    Aber daran wollte Jordi jetzt nicht denken. Schließlich hatte er den letzten Glühstab in Barcelona ergattert. Manchmal hatten selbst Pechvögel Glück im Unglück, dachte er grinsend bei sich.
    Er sah sich kurz um, dann lief er quer über den Platz auf die schmale Gasse zu, die nach La Marina führte. Wieder schweiften seine Gedanken ab zu der Galeone am Hafen. Vielleicht reichte die Zeit doch noch und er konnte das Schiff etwas genauer in Augenschein nehmen?
    Jordi schrak zusammen. Er hatte die große Gestalt nicht bemerkt, die plötzlich vor ihm aufgetaucht war. In Gedanken versunken war er mitten in
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