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Malevil

Malevil

Titel: Malevil
Autoren: R Merle
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verdüstern ihn, und ich atme auf, als ich in das helle Tal der Rhunes hinauskomme.
    Es liegt im Schein der Abendsonne, die zwischen sechs und sieben unvergleichlich schön ist. Ich weiß das, seit der Onkel mich
     darauf aufmerksam gemacht hat. Die Luft hat etwas Sanftes. Die Wiesen sind grüner, die Schatten länger, das Licht ist golden.
     Ich fahre auf den roten Traktor des Onkels zu. Der Hänger dahinter ist hoch beladen mit gelblichem Heu. Und weiter weg, in
     parallelen Reihen längs der Rhunes, die Pappeln mit ihrem silbergrauen Laub, das sich im Winde wiegt. Ich höre sie gern rauschen:
     ein leichter Regen, könnte man glauben.
    Der Onkel greift sich ohne ein Wort mein Fahrrad und vertäut es oben auf dem Heu. Er nimmt am Steuer des Treckers Platz, und
     ich setze mich auf den Kotflügel. Kein Wort. Nicht einmal ein Blick. Doch seine Hand, die ein wenig bebt, verrät mir, wie
     glücklich er ist, daß er, der von meiner mageren Tante niemals ein Kind hatte, sich einen Sohn nach Hause in die Sept Fayards
     holen kann.
    Auf der Schwelle erwartet mich die Menou, die skeletthaften Arme über der nicht vorhandenen Brust gekreuzt. Ein Lächeln kräuselt
     ihren kleinen Totenkopf. Ihre Schwäche für mich ist mit der Abneigung gewachsen, die sie gegen meine Mutter hegt. Und die
     sie auch gegen meine Tante hegte, zu deren Lebzeiten. Nicht, was ihr denkt. Die Menou schläft nicht mit meinem Onkel. Sie
     ist auch nicht seine Magd. Sie hat Besitz. Er mäht ihr die Wiesen, sie führt ihm den Haushalt, er erhält sie.
    Die Menou ist ebenfalls die Magerkeit selbst, aber sie ist eine fröhliche Natur. Sie seufzt nicht, sie schimpft herzerfrischend.
     Vierzig Kilogramm, einschließlich der schwarzen Kleider. Doch ihre kleinen schwarzen Augen in ihren tiefen Höhlen glitzern
     vor Liebe zum Leben. Von ihren jungen Tagen abgesehen, die Tugend in Person, auf allen Gebieten. Auch sparsam. Durch Sparsamkeit,
     sagt der Onkel, hat sie sich das |16| Fleisch von den Knochen gespart, bis sie keinen Hintern mehr hatte, sich draufzusetzen.
    Und ein Arbeitstier ist sie! Arme wie Streichhölzer, aber wenn sie ihren Weinberg jätet, wie geht es ihr da von der Hand!
     Momo indessen, ihr einziger Sohn, der ins achtzehnte Jahr geht, zieht an einem Bindfaden eine Eisenbahn hinter sich her: tut,
     tut, tut, tut.
    Um dem Leben Würze zu geben, unterhält die Menou einen ständigen Disput mit dem Onkel. Doch er ist ihr Gott. Ich habe Anteil
     an dieser Göttlichkeit. Zu meinem Empfang in den Sept Fayards hat sie ein Abendessen gerichtet, daß man sich den Gurt lockern
     muß. Als Krönung stellt diese Schelmin am Ende einen riesengroßen Obstkuchen auf den Tisch.
    Wenn ich vom Film wäre, würde ich diesen Kuchen in Großaufnahme zeigen und dann abblenden zu einem Flashback: 1947, der Sommer
     im Jahr davor. Ein anderes »Wegzeichen«.
    Ich bin elf Jahre alt. Ich verliebe mich in Adelaide, gründe den Zirkel in Malevil und komme zu einer neuen Auffassung von
     Religion.
    Die Rolle, die die Krämerin von Malejac bei meiner Erweckung gespielt hat, erwähnte ich schon. Sie ist dreißig Jahre, ihre
     Reife fasziniert mich. Ihretwegen bringe ich, so vielen gegenteiligen Erfahrungen zum Trotz, noch heute Güte mit Üppigkeit
     der Formen in Verbindung, während ich aus verständlichen Gründen Magerkeit mit Kaltherzigkeit gleichsetze. Schade, daß dies
     nicht mein Sujet ist. Von all der fieberhaften Erregung über all diese Rundungen hätte ich gern erzählt. Als Abbé Lebas anfängt
     sich zu sorgen, welchen Gebrauch wir von den Attributen unserer Männlichkeit machen, und uns im Katechismusunterricht von
     der »Sünde des Fleisches« redet, kann ich, der ich nur aus Sehnen und Muskeln bestehe, nicht glauben, daß dieses »Fleisch«
     das meine sein soll. Ich bringe den Ausdruck mit Adelaide in Beziehung, und der Begriff Sünde erscheint mir köstlich.
    Es stört mich nicht einmal, daß mein Idol, obgleich etwas gewichtig in ihren Ausmaßen, in dem Rufe steht, hurtig mit den Schenkeln
     zu sein. Im Gegenteil, davon verspreche ich mir etwas für die Zukunft. Aber die Jahre, die aus dem Hähnchen einen Hahn machen
     werden, erscheinen mir noch sehr lang.
    Inzwischen bin ich, im Sommer mindestens, sehr beschäftigt. |17| Der Krieg wütet. Der tapfere Kalvinistenhauptmann Emmanuel Comte, mit seinen Glaubensbrüdern in Malevil eingeschlossen, verteidigt
     die Festung gegen den finsteren Meyssonnier, das Haupt der Liga. Ich nenne ihn finster, weil es
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