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Malevil

Malevil

Titel: Malevil
Autoren: R Merle
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sein Ziel ist, die Burg zu
     plündern und die Ketzer – Männlein und Weiblein – über die Klinge springen zu lassen. Die Frauen werden durch Reisigbündel,
     die Kinder durch kleinere Reisigbündel dargestellt.
    Der Sieg steht nicht im voraus fest, er hängt vom Waffenglück ab. Wer von einem Wurfspieß, einem Pfeil, einem Stein oder,
     im Nahkampf, von der Spitze eines Degens getroffen oder nur berührt wird, ruft »Ich bin erledigt!« und bricht zusammen. Nach
     Beendigung der Schlacht ist es gestattet, die Verwundeten zu enthaupten und die Frauen zu töten, nicht aber, wie es der große
     Peyssou eines Tages tat, sich über ein voluminöses Reisigbündel herzumachen, um es zu schänden. Wir sind tugendhaft und streng,
     wie unsere Vorfahren. In der Öffentlichkeit wenigstens. Ausschweifung ist Privatsache.
    Eines Nachmittags habe ich das Glück, vom Burgwall herab Meyssonnier mit meinem Pfeil zu treffen. Er fällt. Mit erhobener
     Faust beuge ich mich über die Zinne und rufe mit Donnerstimme: »Stirb, du Schurke von Katholik!«
    Dieser fürchterliche Ruf läßt die Belagerer erstarren; sie vergessen, sich zu decken, und alsbald sind sie von unseren Pfeilen
     durchbohrt.
    Langsamen Schrittes verlasse ich den Burgwall; meine Leutnants, Colin und Giraud, schicke ich aus, Dumont und Condat den Garaus
     zu machen, während ich Meyssonnier mit meinem Degen den Kopf abschlage.
    Dem großen Peyssou schneide ich zunächst die Organe ab, auf die er so stolz ist; dann stoße ich ihm meinen Degen in die Brust,
     bohre ihn tiefer und tiefer in die Wunde und frage »mit gelassener Stimme«, ob ihm das Lust bereite. Den großen Peyssou spare
     ich mir immer für das Ende auf, weil er so großartig röchelt.
    Das heiße Treffen ist zu Ende. Zu einer letzten Zigarette und einem Kaugummi, der ihren Geruch wegnehmen soll, kommen wir
     noch einmal an dem Tisch des Verstecks im Bergfried zusammen.
    Und dort merke ich schon an der Art, wie er seine Kinnbacken |18| bewegt, daß Meyssonnier unzufrieden ist. Seine grauen Augen, eng beisammen unter der schmalen, von einer kurzgeschnittenen
     Bürste bekrönten Stirn, blinzeln unablässig.
    »Na, Meyssonnier«, frage ich, »ist was? Bist du böse?«
    Seine Lider flattern noch heftiger. Er zaudert, mich zu kritisieren, weil das im allgemeinen auf ihn selber zurückfällt. Und
     dennoch, die Pflicht ist unabweislich und bedrängt von allen Seiten seinen schmalen Schädel.
    »Du hättest mich nicht Schurke von Katholik nennen dürfen!« sagt er schließlich heftig.
    Dumont und Condat murmeln beifällig, Colin und Giraud schweigen aus Loyalität, aber mit einer Nuance, die mir nicht entgeht.
     Allein Peyssou, ein breites Lächeln quer über sein pausbäckiges Gesicht, bleibt gelassen.
    »Wieso denn?« frage ich herausfordernd. »Das Spiel war doch so! Im Spiel stelle ich den Protestanten dar; soll ich da Gutes
     zu dem Katholiken sagen, der mich morden will?«
    »Das Spiel entschuldigt nicht alles«, sagt Meyssonnier unbeirrt. »Auch im Spiel gibt es eine Grenze. Beispiel: Du tust nur
     so, als schneidest du Peyssou was ab, du tust es nicht in Wirklichkeit.«
    Peyssous Lächeln wird noch breiter.
    »Außerdem haben wir niemals verabredet, daß wir uns beschimpfen«, sagt Meyssonnier, den Blick auf den Tisch geheftet.
    »Und vor allem nicht wegen der Religion«, fügt Dumont hinzu.
    Ich blicke Dumont an. Der ist immer so empfindlich, ich kenne ihn.
    »Dich habe ich ja gar nicht beschimpft«, sage ich, bemüht, ihn von Meyssonnier abzubringen. »Ich habe mit Meyssonnier geredet.«
    »Das ist gleich, da ich katholisch bin«, sagt Dumont.
    Ich protestiere: »Ich bin doch auch katholisch!«
    »Gerade deshalb«, wendet Meyssonnier ein, »dürftest du nicht über deine Religion lästern.«
    Jetzt mischt sich der große Peyssou ein, so ein Mumpitz, sagt er, katholisch und protestantisch, das ist doch alles ein und
     dasselbe.
    Gleich fährt man ihn von allen Seiten an. Peyssous Spezialität |19| ist Körperkraft und Ferkelei! Daran soll er sich halten! Mit Religion soll er sich nicht bemengen!
    »Wo du nicht mal deine zehn Gebote weißt«, sagt Meyssonnier verächtlich.
    »Und ob ich sie weiß«, sagt der große Peyssou.
    Wie im Religionsunterricht steht er auf und beginnt sie zügig aufzusagen, bricht aber nach dem vierten plötzlich ab. Wir pfeifen
     ihn aus, und er setzt sich, mit Schande bedeckt, wieder hin.
    Der Zwischenfall mit Peyssou hat mir Zeit zum Nachdenken gelassen.
    »Schön«, sage
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