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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
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gefragt.
    Tief vorgebeugt im Treppenhaus sah er sie kurz kichern, mit hochgezogenen Schultern. Gleich darauf preßte sie wieder die Lippen zusammen, eine kleine Falte über der Nase, denn die Arbeit war natürlich nicht schön.
    »Und rauf!«
    Es kam ihnen äußerst ungelegen, daß das Rathaus die Leinwand so unerwartet prompt zurückgeschickt hatte. Der bei ihnen wohnende Lehrling war für ein paar Tage bei Verwandten in Alphen, das Dienstmädchen hatte Rückenschmerzen. Sie hatten sie zu dritt schleppen müssen.
    Ja! Ja! Ja! Ruckweise hatten sie das Ding Stufe um Stufe höher gehievt. Ganz unten hatte sein Sohn das Ende wie ein Sargträger auf die Schulter genommen.
    An dem Tag hatte sich keine Möglichkeit mehr ergeben, auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, was jetzt weiter mit dem Desaster geschehen sollte. Das Desaster nahm Besitz vom Atelier, alles andere hatten sie auf die Seite gerückt. Es war Abend geworden. Der Maler hatte sich in der Küche eine Pfeife angezündet, seine Frau briet eine Ente. Sie hatten zu fünft gegessen, er, sein Sohn, seine Frau, Töchterchen Neelie und das Dienstmädchen, dem es eigentlich schon wieder ganz gut ging. Neelie hatte von ihrer Mutter einen Entenfuß zum Spielen bekommen, die Sehne hingnoch wie eine Schnur heraus. Wenn sie daran zog, schloß der Fuß seine Zehen und Schwimmhäute, ließ sie los, schwamm er sozusagen wieder fröhlich davon.
    Gleich als es am nächsten Tag hell wurde, war der Maler ins Atelier gegangen. Sein Schlaf war schwer und warm gewesen, die Körpertemperatur seiner Frau war höher als seine eigene, er war an ihre trockene, leicht glühende Haut gewöhnt, sie schwitzte nie. Ob es nun von dem Volkslied kam, das sie im Schlaf gesungen hatte – Es regnete sehr, un ich wurd’ naß –, oder vom violettblauen Himmel an diesem sehr frühen Morgen, freundliche Dinge alle beide, ohne Verzweiflung, jedenfalls bekam er Lust, auf der Stelle das Problem dort auf dem Fußboden anzupacken.
    »Es ist zwar noch nicht November …« hob er an, als seine Frau erschien. Sie stellte einen Teller Anisbrötchen für ihn auf die Fensterbank und nahm selbst eins. »Ähm, aber du hast deinem Vater doch im Schlachtmonat immer geholfen?«
    Ihr Vater, Jäger auf Schloß Bredevoort, hatte auch stets beim Schlachtfest mit Hand angelegt.
    »Stimmt«, sagte sie mit vollem Mund. Sie setzte sich auf die Fensterbank und beschrieb ihm, wie ihr Vater es fertigbrachte, mit einem einzigen genau berechneten Schnitt das Gekröse eines Rehs ordentlich vor den aufgeschlitzten Bauch gleiten zu lassen. Im letzten Jahr, erzählte sie, als er bereits krank war, hatte sie ihm manchmal geholfen, so ein Tier danach am Firstbalken der Scheune festzuzurren, damit es abhängen konnte.
    Überflüssig, zu erzählen, daß sie verstand, was ihr Mann meinte, sie hatte ihn immer in allem verstanden. Als der Sohn gegen acht nach unten kam, sah er seine Stiefmutter, die im Begriff war, an den Backsteinen des äußeren Fenstersimseszwei Fleischmesser zu wetzen, ein kurzes, breites mit einer Blutrinne, mit dem man auch Knorpel zerschneiden konnte, und ein ungefähr sechs Daumen langes und eineinhalb Daumen breites zum Filetieren. Sie lachte ihn durch die Scheibe an.
    Die Arbeit sollte den ganzen Vormittag und einen Teil des Nachmittags in Anspruch nehmen. Nachdem sie die Leinwand zu dritt auf dem Boden ausgerollt hatten, brauchte der Maler nur wenige Minuten, um sich das Kinn reibend einen Entschluß zu fassen und danach eine kleine Zeichnung auf ein Stück Papier zu werfen. Ein Kinderspiel – dies weg, das weg, das Übrige kann sehr gut bleiben – die eigentliche Arbeit war das Verstümmeln. »Gib her«, sagte er zu seiner Frau und streckte die Hand aus. Sie gab ihm das lange Messer, das das leichtere war. Er sank auf die Knie, drückte sich gegen die Wand unter der Fensterbank und begann mit einer Reihe fester Schnitte, den Vorplatz und die Treppen wegzuschneiden. Daß er dabei seufzte und stöhnte, hatte nicht viel zu bedeuten, das hatte er auch getan, als er mit Hilfe zweier Lehrlinge ebendiesen Vorplatz und die Treppen auf die Leinwand brachte, und es war fast zu erwarten, daß er auch jetzt wieder, getreu seiner Gewohnheit während des Pinselns, Putzens und Hauens, von Zeit zu Zeit murmeln würde: »Sehr gut, meine Herren, so macht man das!« Als er aufblickte, um seinem Sohn zu bedeuten, er solle auf der anderen Seite beginnen, sah er, daß der Junge schon bereitstand, das schwere, kurze
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