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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
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sie.
    Durch das Spiel der Dezembersonne wurde die Gänseschar so angestrahlt, daß sie aussah wie eine blitzweiße Fläche, im Begriff, als Ganzes aufzusteigen und flirrend davonzusegeln. Ragnar war der junge Mann, dessentwegen sie einen Konflikt mit ihrer Schwester gehabt hatte, den sie noch immer nicht ganz verstand.
    »Geh und koch Kaffee.«
    »Ja.«
    Sie schlenderte davon und blieb noch einen Moment in aller Ruhe an die Anrichte gelehnt stehen, um über Geld nachzusinnen, Geld, das stark ist und schwach, das sich eintauschen läßt gegen schrecklich viel, man weiß bloß nicht, was, Geld, das schwer ist, furchtbar schwer sogar, und sichnur mit größter Mühe zählen läßt. Dennoch war Geld ihrer Meinung nach in erster Linie so leicht wie eine Feder, denn es verhieß etwas in der unsichtbaren Zukunft.
    Am Fenster sah sie ihren Stiefvater bereits mit genüßlicher Miene auf seinen Kaffeeaufguß warten. Sie selbst verzichtete gern auf das neumodische Zeug, das man nur in der Apotheke kaufen konnte. Sie nahm die Dose, schüttete die gemahlenen Bohnen in eine Kanne mit doppelter Tülle, ging zum Feuer und nahm den Wasserkessel von der Kette.
    War es der scharfe exotische Duft, oder war es die finanzielle Botschaft ihrer Schwester? Entschlossen, halb trunken mit einemmal, setzte sie sich ihrem Stiefvater gegenüber.
    »Bitte.« Ihre Blicke kreuzten sich. Eine kurze stumme Zwiesprache.
    Auf jeden Fall: Ragnar – nein.
    Der Rest – was will das Geld – würde sich finden.

5
Elsje Christiaens
    An dem Tag, an dem sie gelernt hatte, ihren Namen zu schreiben, war es zu einem merkwürdigen Zusammenstoß gekommen.
    »Du kannst deinen Namen schreiben?!«
    Sarah-Dina hielt den Papierstreifen in der Hand, blickte aber nicht auf die vier Buchstaben. Ihre Wut galt dem zehn Jahre jüngeren Kind, das an diesem Nachmittag stundenlang weg gewesen war und jetzt die Hand ausstreckte, um genüßlich den eigenen Namen vorzulesen.
    »Ja … gib her.«
    Kam nicht in Frage. Das Papierstück wurde von Sarah-Dina nicht zerknüllt – in der Zeit, in der dies alles spielt, tat man so etwas nicht leichtfertig –, sondern zusammengefaltet und in die Schürzentasche gesteckt. In dieser Nacht durfte die jüngere Schwester nicht, wie seit dreizehn Jahren üblich, neben ihrer älteren Schwester auf der Federmatratze schlafen, geschweige denn in die warme Mitte rollen. Sie bekam einen Schubs, und als der nicht half oder nicht verstanden wurde, einen Tritt, der bedeutete: Ab mit dir in die Scheune!
    Das war am Ende des Sommers gewesen. Nachts war es schon kalt, und ein feuchter Bodennebel zog auf, die Scheune allerdings war so beschaffen, daß man wenig unter derklammen Kühle zu leiden hatte, aber es war stockdunkel dort, und es gab Ratten. Sie tappte mit ausgestreckten Armen in die Ecke, legte sich auf eine der Matratzen und zog ein anderes Teil über sich.
    Die Verbannung war nicht weiter schlimm. Die Scheune war wohlvertrautes Terrain, fast schon eine Wohnstube. In der Mitte standen mit Brettern belegte Holzböcke, auf denen sie und ihre Schwester die Matratzen und Kissen anfertigten, die sie auf dem Markt zu verkaufen versuchten. »Einfach reinstopfen«, hatte der Befehl gelautet, den Else vor dreizehn Jahren einen Tag, nachdem sie hier mit ihrer Mutter von einem mageren kleinen Pferd abgestiegen war, von ihrer Stiefschwester bekam. Das Kind hatte genickt und die dicke Halbwüchsige mit solchem Vertrauen angeblickt, daß diese sich einen Augenblick lang wie verzaubert fühlte. Von da an hatte die teils sanftmütige, teils bösartige Sarah-Dina den kleinen Neuankömmling unter ihre Fittiche genommen. Feder- und Daunenallergien gab es damals noch nicht. Die Kleine erwies sich als äußerst geschickt darin, die Arme voll mit der leichten weißen Füllung, in die Leinensäcke hineinzuspringen, mit beiden Füßen zugleich, und sich darin herumzuwälzen, um das Material zu verteilen. Die Mutter starb, doch schon bald war das nicht mehr so schlimm, denn Sarah-Dina war ihr geblieben, eine Frau wie ein Haus, dessen Windschutz und Sicherheit durch Mäuselöcher, Holzfäule und ein undichtes Dach eher verstärkt als beeinträchtigt werden. Glück ist nicht weniger gewitzt als Mißgeschick.
    Else hatte im Dunkeln nach oben gestarrt. Diese Wut! Sie verstand sie nur zum Teil, daher blieb ihr Bewußtsein für den Moment noch bei dem, was greifbar und vertraut war. Dort, schräg gegenüber, war die Scheunentür. Über ihr derSpitzboden. Rechts an der Wand
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