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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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hineinzureißen, den Entrüsteten. »Möge Orkhan sich mit ihr plagen. Er hat einen härteren Kopf als ich.«
    »Und du meinst nicht doch, daß er zu jung sei?« sagte sie, um ihre Niederlage noch einmal zu genießen.
    Und wirklich lachte Osman auch nur.
    »Natürlich ist Orkhan ein Knabe, doch so groß ist der Unterschied nicht. Manchmal will mir scheinen, du habest drei Söhne statt zweien. Nur daß die beiden andern soviel ernsthafter und verständiger sind! Findest du nicht?«
    »Du bist mein Jüngster«, sagte Malchatun. Ohne sich zu besinnen, sagte sie es.
    Biledschik und die anderen Städte und Burgen waren im sechshundertneunundneunzigsten Jahre der Hedschra oder 1299 nach Christus in Osmans Hand gefallen.
    Siebenundzwanzig Jahre später verschied Malchatun fast gleichzeitig mit ihrem Vater im Jahre 1326. Sie wurde von Osman in Biledschik begraben. Er selbst überlebte sie nur wenige Tage.

NACHWORT
    Malchatun - mit diesem orientalisch-fremd klingenden Namen führt uns Johannes Tralow, der im Februar 1968 verstorbene bekannte Romancier, in eine vielgestaltige und bunte Welt ein, die dem heutigen Leser zunächst genauso »bekannt« ist wie die Tiefsee, die Polargebiete oder der Weltraum. Aber so, wie jeder heute mit Hilfe der Technik und vermittels Fernsehen, Film oder Literatur sich Zugang zu gestern noch unendlich entfernt scheinenden Welten der umgebenden Natur verschaffen kann, so ist jedem mit Hilfe der Wissenschaft, der Kunst und Literatur auch der Blick in die Vergangenheit frei geworden zunächst vielleicht an einem Punkt, dann oft breit und flächenhaft, schließlich gar in einer Stereosicht, die auch das Kleinste und Unbedeutendste dicht vors Auge rückt.
    Die Arbeit mit einer solchen Optik erfordert aber gewisse Voraussetzungen: die Fähigkeit, mit unendlich kleinen Mosaiksteinchen, meist Bruchstücken von literarischen Quellen, mit Inschriften, Münzen, Papyri, Werkzeugen, Resten der materiellen Kultur zu hantieren, die der Historiker oder der Schriftsteller mühsam zu einem Ganzen vereinen muß. Schließlich soll der Leser ein klares und auch in ästhetischer Hinsicht befriedigendes Werk vor sich haben, zu dem ihn das Bedürfnis nach Entspannung, Unterhaltung und Belehrung immer wieder greifen läßt.
    Tralow hat es in hervorragender Weise verstanden, Hunderttausenden, ja Millionen von Lesern solche Bücher in die Hand zu geben. Sein enzyklopädisches Wissen, seine Bereitschaft, ständig weiterzuarbeiten und seinem Weltbild neue Erkenntnisse einzufügen, haben ihn befähigt, aus dem schier unerschöpflichen Erfahrungsschatz eines langen und reichen Daseins immer wieder Leben zu gestalten, Romanfiguren zu schaffen, die unvergeßlich als Repräsentanten früherer Geschichtsepochen vor uns stehen und in ihrer Dynamik unser heutiges humanistisches Grundanliegen fördern.
    Jeder Leser weiß natürlich, daß Tralow nichts unerträglicher war als die Schablone. Seine Gestaltung duldete keine Einengung, und er wollte innerhalb der von den Quellen, der vom vergangenen Geschehen selbst gezogenen Grenzen mit dem unverlierbaren Recht des historischen Romanciers frei schalten können. Das hat er immer wieder versucht, und der Erfolg hat ihm recht gegeben. Seine Parteinahme für Frieden und Fortschritt konnte sich also nirgends in einer engen historischen Sicht oder gar in vordergründigen Parallelen manifestieren.
    Vielmehr gibt es recht verschlungene Wege, um das Werden und Wirken der Figuren auf der historischen Bühne zu verdeutlichen: Osman, Salmenikos, Aristides, Alaeddin, Orkhan sind keine Idealgestalten, sondern Menschen in all ihren Widersprüchen, deren Weg nicht eindeutig verläuft und die meist ihr Leben nach den gegebenen Möglichkeiten einrichten, Kompromisse eingehen und sich schwer oder gar nicht zum Guten durchringen. Aristides stirbt ohne Aussöhnung mit dem zu Unrecht verfolgten Sohn, Salmenikos ist trotz seiner Bildung und weltmännischen Art in seinen Entschlüssen schwankend und versäumt politisch und menschlich das Wichtigste, so daß ihm wahrer Erfolg versagt bleibt. Der schwarze Osman hat viele Irrwege und Kämpfe zu bestehen, bevor er sich Malchatun als Gattin gewinnt.
    Letztere ist am ehesten als Idealgestalt anzusprechen: Tralow stellt sie zwar keineswegs in Schwarzweißmalerei den anderen gegenüber, aber ihr Charme, ihre Bildung und ihr Weitblick heben sie über alle anderen Akteure der Handlung weit hinaus. Als heilkundige Tochter eines gelehrten Scheichs, des Edebali, der selbst
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