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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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Kämpfen entzogen. Acht Grenzwächter waren seine ganze Bedeckung.
    Nilufer hatte ihre Sänfte dem Salmenikos überlassen müssen. Es war etwas anderes, von Helden zu träumen, und etwas anderes, zu sehen, was sie hatte sehen müssen. Nicht einmal den Versuch hatte sie gemacht, zu Osman durchzudringen, was auch völlig vergeblich gewesen wäre. Ihre ganze Überlegenheit war dahin, und ohne Widerstand hatte sie sich zu Orkhan aufs Pferd heben lassen. Gar nicht mehr wie ein kleiner Junge kam er ihr vor.
    »Laß uns vorausreiten«, bat sie jetzt, als sie schaudernd die Blutspur erblickte, die aus der Sänfte sickerte. Schutzheischend barg sie ihr Gesicht an der Brust des Knaben. Aber es änderte nichts daran, daß der Herr von Biledschik in seine Burg als Leiche einzog.
    Osman hatte seinem heimlichen Verschwinden aus Tschakirbinari absichtlich den Anschein einer Flucht gegeben. Nach dem Niederbrennen der türkischen Wachtfeuer war dann auch wirklich der Überfall auf das Lager erfolgt. Doch keine Schlafenden und aus der Trunkenheit Emportaumelnden hatte man als leichte Schwertbeute vorgefunden. Leer war das Lager gewesen, und nach Überwindung der ersten Enttäuschung hatten sich die Angreifer auf die Verfolgung gemacht. Alle christlichen Streitkräfte mit Einschluß der der Asanes, die Salmenikos zurückgelassen hatte, waren daran beteiligt. Und als die Archonten sich nun gar überzeugten, daß der Bey nur kurze Zeit vor ihnen in die Schlucht hineingeritten sei. kannte der Jubel keine Grenzen. Das Letzte wurde aus den Gäulen herausgeholt, um den Verhaßten noch in der Schlucht zu stellen. Zur Entfaltung der mongolischen Taktik bot sich darin allerdings keine Möglichkeit. Selbst seine Ghureben und Sipahis hätten Osman nicht retten können, falls sie seine einzige Hoffnung gewesen wären.
    Aber Osman suchte nicht die Rettung, sondern den Sieg.
    Auf Grund einer klaren Berechnung hatte er seine Verfolger ganz nahe an sich herangelassen; denn die vierhundert Reiter, die er führte, waren nur ein kleiner Teil seiner Truppe. Alle
    Stämme des Ermeni und Tumanidsch hatte er aufgeboten. Sie standen in Deckung bereit, und während Osman selbst an einer engen Stelle dem ersten Anprall der Christen standhielt, strömte seine Hauptmacht ebenfalls in die Kaldiralikschlucht, den Christen in den Rücken.
    Das Gefecht wurde ein Gemetzel. Fast keiner von den Christen entkam. Unter den wenigen Gefangenen befanden sich Kir Joannes Mazaris und Nilufers Vater, Kir David von Jarhissar, das der junge Chalil Tschendereli dank seiner genauen Kenntnisse in gleicher Nacht erstürmte. Thorghud Alp aber nahm Ainegöl, die Burg des Matthäos Botoniates.
    Es gab keine christliche Macht mehr an der Grenze.

39
    Bei seinem Einritt in Biledschik erfuhr Osman als erstes, daß Malchatun schon in der Burg sei.
    Sie saß in dem gleichen Zimmer, in dem der Derwisch Kumral vor ihr erschienen war mit der Kunde von der Gefangennahme eines Boten, der ein Bote des Salmenikos hatte sein wollen. Ihre Hände krampften sich um die Löwenknäufe des Sessels, ihr Blick verlor sich in der Ferne.
    Zweimal hatte sie mehr als ihr Leben eingesetzt in jenen Tagen: um Apollonia beizustehen, als Nilufer geboren wurde, und um Salmenikos aus vermeintlicher Todesgefahr zu erretten. Ohne Kumrals Widerspruch zu beachten, hatte sie damals der falschen Botschaft vertraut. Jetzt lag Salmenikos in aller Wirklichkeit unten aufgebahrt in der Halle. Malchatun hatte sich nicht gescheut, das Tuch zu heben und in das ausgeblutete Antlitz zu blicken.
    In der Leiche noch war der schöne Mann zu erkennen gewesen. Im Schein der flackernden Fackeln waren die silbernen Strähnen im Haupthaar und Bart rötlich erglänzt. Kein Ausdruck des Zorns hatte auf dem Gesicht gelegen, sondern nur
    der eines hochmütigen Verwunderns. Bis zum letzten Augenblick sei er sich treu geblieben, hatte Malchatun gedacht: ein Mann der Reaktion und des Beharrens - den Kopf voll von Berechnungen, aber zu phantasielos, um die Wirklichkeiten seiner Gegenwart und der Zukunft zu erkennen. Und dann hatten seine Augen sie bedrängt. Im Widerschein des bewegten Lichtes war der Blick des Toten dem eines Lebenden allzu ähnlich gewesen. Mit zwei Fingern ihrer Rechten hatte sie die Lider darüber gezogen - gleichsam mit Siegeln verschlossen hatte sie den vom Leben verlassenen Leib.
    >Ich liebe ihn<, hatte sie einst zu Abdal Kumral gesagt und immer wieder: >Ich liebe ihn.< Ihr war, als hafte der Klang noch im Raum. Aber die
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