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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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Erinnerung mahnte umsonst.
    Der Klang war tot wie Salmenikos . . .
    Doch Osman . . .?
    Bei dem Gedanken an ihn fröstelte es sie in ihrer Einsamkeit.
    Sie erhob sich und stieß die Läden auf. Die Kerzen waren niedergebrannt. Der Morgen schaute fahl ins Gemach.
    Auch für ihre Besiegerin Nilufer - sann sie voll Bitterkeit -habe sie das gleiche getan wie für den Toten auf der Bahre. Zuletzt kehre eben jede gute Tat sich wider den Täter, und Mani, der Perser, möge wohl damit recht gehabt haben, daß diese Welt keine Schöpfung Gottes, sondern des Teufels sei. Dieses Pendeln zwischen Hoffen und Enttäuschung gleiche nur zu sehr der Verdammnis des Sisyphos, der immer wieder und immer vergeblich den Felsblock bergan kanten müsse. Nichts als die Ewigkeit fehle diesem irdischen Leben zur Hölle.
    Sie erschauerte und blickte auf. Osman war eingetreten.
    »Daß du da bist«, sagte er und wollte sie in seine Arme ziehen. Doch sie entwand sich ihm sanft.
    »Setze dich zu mir, mein Osman«, bat sie und wies auf den zweiten Stuhl.
    Gern hätte er diesen Augenblick mit einem Austausch von Gefühlen erfüllt und ein wirkliches Gespräch vermieden. Denn zweierlei könnte Malchatuns überraschende Gegenwart zu bedeuten haben: Vielleicht sei sie nur aus übertriebenem weiblichem Mißtrauen erschienen, um Unwiderrufliches zwischen ihm und Nilufer zu verhindern. Dieser Gedanke schreckte ihn nicht. Nur als Liebesbeweis hätte er dann ihr Erscheinen betrachtet. Glücklich wäre er gewesen, die Entwirrung aller ausgesprochenen und nicht ausgesprochenen Verflechtungen ihr überlassen zu können. Aber freilich . . . könne auch, wie schon einmal, die Lebensgefahr des früheren Geliebten sie herbeigerufen haben ... Bei dieser Erwägung verfinsterte sich Osman.
    »Ich dachte, du seiest meinetwegen gekommen«, sagte er, »oder wenn nicht wegen mir, so doch wegen Orkhan . . .?«
    »Ich kam wegen Nilufer«, erklärte sie, »denn da Apollonia nicht hiersein kann, muß ich dem Mädchen wohl Mutter sein. Du aber, mein Osman, bist mir entwachsen.«
    »Du bist meine Frau«, war die Antwort, und sie war Widerspruch.
    »Ich war es mehr, als du es wohl dachtest«, erwiderte sie, um dann auf etwas überzugehen, was Osmans Befürchtung zu bestätigen schien. »Vielleicht erinnerst du dich noch - ich sagte es dir -, daß ich um des Toten willen mich in eine Gefahr begab, aus der du mich errettetest. In diesem Zimmer beschwor Kumral mich, es nicht zu tun. Aber ich tat es dennoch.«
    »Ich weiß es, Malchatun«, erklärte er mit aller Tapferkeit, der er fähig war.
    »Und ich danke dir, daß du es nie mehr erwähntest. Immer warst du es, der mir beistand, wenn Salmenikos mich der Gefahr überließ.«
    »Du liebtest ihn«, sagte er.
    »Ich glaubte ihn zu lieben«, berichtigte sie.
    Doch diese letzten Worte Malchatuns hörte Osman nicht mehr. Kaum je hatte er Eifersucht auf eine Vergangenheit gezeigt, die ihm als begraben erschienen war. Was aber der Lebende nie bewirkt hatte, erweckte der Tote.
    »Und jetzt hassest du mich«, rief er, »obwohl nicht ich ihn erschlug, sondern unser Sohn. Dennoch hast du ein Recht zum
    Haß. Wäre ich ihm wie Orkhan im offenen Kampf begegnet, so hätte ich ihn getötet oder er mich. Sage mir also, Malchatun, was du dem Manne sagen willst, der Salmenikos umbrachte. Mein Sohn oder ich - es ist so gut, als hätte ich ihn selbst erschlagen.«
    »Es wäre Notwehr gewesen«, sagte sie, »Salmenikos trachtete nach deinem Leben.«
    »Ich wollte, er hätte das seine noch. Es ist etwas Gefährliches um die Macht der Toten.«
    »Nicht gefährlich für dich, mein Osman«, kam es ihm sanft zurück. »Du mißverstehst mich. Als wir uns das letztemal trafen, Salmenikos und ich, wünschte er, daß wir uns nie feindlich begegnen möchten, denn uns zu begegnen, könnten wir kaum vermeiden. Immer glaubte ich, er habe sich geirrt. Und doch sah ich ihn noch einmal. Unten.«
    »Und . . .?« Osman beugte sich vor.
    »Höre weiter«, bat sie. »Du kennst den Christenpriester Aratos. Er beschwor mich, den Salmenikos zu heiraten, damit ich dem Lande den Frieden bringe zwischen uns Moslemin und den Christen.«
    »Warum tatest du es nicht?«
    Viel Bitterkeit lag in seiner Stimme. Sie aber wollte, daß er ihre Gedanken vernehme, und achtete weder seiner noch ihrer eigenen Gefühle.
    »Heute weiß ich, daß ich recht hatte, mich zu weigern. Salmenikos dachte an sich, an sein Haus, an die Fürstenwürde und nie an den Frieden. Ich habe sein Antlitz
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