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Malchatun

Titel: Malchatun
Autoren: Johannes Tralow
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den Koran in großzügiger Weise auslegt und als eine Art Pendant zu Lessings »Nathan« erscheint, steht sie weit über den kleinlichen Intrigen und der politischen Enge ihrer Umgebung, die auch Osman eingeschlossen sich im Tagesgezänk, im Ringen um Weideplätze, Festungen und Dörfer gegenseitig aufreibt. Als Osmans Gattin weiß Malchatun die Anliegen und Interessen ihrer Familie, die im Begriff stand, zur Dynastie aufzusteigen, klug mit den Bedürfnissen des Stammes in Übereinstimmung zu bringen. Härte, Brutalität und Rücksichtslosigkeit der rauhen Grenzkrieger mildert sie nicht selten, wie die Affäre um Joannes Mazaris oder die Beilegung ihres eigenen »Ehekonfliktes« zeigt, der durch die Eheschließung zwischen Orkhan und Nilufer beigelegt wird. Tralow verdeutlicht gerade an Malchatun, wie positiv sich der versittlichende, von kluger Konsequenz wie von menschlicher Toleranz getragene Einfluß einer Frau auf die barbarischen Sitten von Halbnomaden auswirken konnte.
    Dieses Milieu ist hochinteressant, zumal es die historische Situation recht plastisch und meist ziemlich genau widerspieglt: Im späten 13. Jahrhundert war Kleinasien, vor allem das ehemals fruchtbare Bithynien, zu einem einzigen Kampfplatz geworden, auf dem sich Byzantiner, Seldschuken und Türken, dazu Banden von Marodeuren und abenteuernden Söldnern dieser »Kreuzzugsperiode« gegenüberstanden - ein Bild feudaler Zersplitterung, in dem der sozial abhängige Bauer und Hirt die schweren Lasten zu tragen hatte, die das dauernde »Kriegsspiel« größerer oder kleinerer Potentaten erforderte.
    Es ist Tralows Verdienst, dieses gesellschaftliche Milieu Kleinasiens, das durch viele wissenschaftliche Einzelarbeiten allmählich erschlossen worden ist, einer breiten Leserschicht nahegebracht zu haben, wobei er in dem ständigen Aufeinanderprall von Orient und Okzident die fruchtbaren Mischungsmöglichkeiten von Kulturen und Bevölkerungen sehr unterschiedlicher Herkunft erkennt. Damit geht er gegen feindliche Ideologien wie Rassismus und Abendlandkonzeption vor. Viele Leser wird die außerordentliche Plastizität und Farbigkeit der Tralowschen Darstellung anziehen. Hier ist alles in einen großen, umfassenden, fast möchte man sagen, universellen Zusammenhang gestellt.
    Zu dem Reichtum der Sprache, die sich in einem differenzierten Wortschatz, in der Verwendung von Vergleichen, Bildern, Parabeln und in verschiedensten Formen der Schilderung (Naturschilderung!), der direkten und indirekten Personencharakterisierung, der Erzählung, des vor- oder rückblendenden Resümees manifestiert, gesellen sich viele Gestalten und Situationen, die nur teilweise aus Quellen und Vorlagen entnommen sind: Hier waltet die dichterische Phantasie frei und gestaltet innerhalb der vom Thema gezogenen Grenzen eine Art Makrokosmos dieser spätmittelalterlich-orientalischen Welt mit ihren vielen attraktiven, wenn auch fremdländischen Zügen. Der Fülle der Personen - unter denen die Hauptgestalten natürlich deutlich hervortreten und hier andeutend, dort genauer charakterisiert werden, wobei die Persönlichkeitsentwicklung meist im Vordergrund steht - entspricht die Vielfalt der Situationen und Szenerien. Bald werden wir in die Einöde der anatolischen Hochebenen, die von Hirtennomaden seldschukischer oder türkischer Herkunft besiedelt werden, versetzt, bald in die luxuriösen Burgen und Schlösser des Feudaladels und der Fürsten (Eskischehr, Biledschik, Ikonium). Die Dürftigkeit der Hirten- und Grenzbevölkerung steht im krassen Gegensatz zum üppigen Aufwand der Oberschicht. Zwischen beiden ist eine Art Mittelstand von Händlern, Handwerkern oder kleinen Häuptlingen nur knapp erkennbar, jedenfalls kaum handlungsbestimmend.
    In erster Linie fällt Tralow als meisterhafter Erzähler und Gestalter bestimmter psychologisch interessanter Figuren und Situationen auf. Das Eindringen in das Denken und Handeln seiner Gestalten, in ihr Gefühlsleben und auch in ihr Unterbewußtsein gelingt recht überzeugend. Dabei stehen bestimmte Motivationen mit einer gewissen Regelmäßigkeit im Vordergrund: Da der Roman »Malchatun« am Beispiel einiger Hauptgestalten dieser Epoche den langsamen Aufstieg des türkischen Reiches behandelt, steht der Kampf um die Macht im Brennpunkt des Interesses. Manuel, Salmenikos und Osman - im
    Hintergrund auch Sultan Alaeddin und sein Wesir, der byzantinische Kaiser und der Il-Khan in Täbris - sind politische Rivalen, und von daher formen sich ihre
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