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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita
Autoren: Claudio M. Mancini
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einfangen, aber nun, da sie ihm gegenübersaß und ihm in die Augen sah, befürchtete er in einem Anflug elegischer Hilflosigkeit, dass diese Frau für ihn unerreichbar sein würde.
    Umso überraschter war er, als sie beinahe liebevoll nach seiner Hand griff und sie vertraulich drückte.
    »Darf ich Sie Roberto nennen?«, fragte sie. Der samtweiche Ton in ihrer Stimme regte seine Sinne über alle Maßen an.
    »Selbstverständlich!« Unvermittelt durchflutete ihn eine kaum zu unterdrückende Lust auf Eroberung. Er legte seine Hand in der Überzeugung auf die ihre, dass das Begehren eines Mannes keine Beleidigung sein konnte.
    »Kommt Ihre Frau nie zu Ihren Lesungen?«, fragte Rosanna, entzog ihm wie unabsichtlich die Hand und strich sich durch das volle Haar.
    Cardone lächelte still in sich hinein. Frauen verwendeten doch immer die gleichen Tricks, wenn sie etwas erfahren wollten! Er hatte den Eindruck, als schmeichele ihm ihr Blick und ihr Körper erzähle von Hingabe. Dennoch, er fühlte einen kleinen Stich, weil er in Rosannas Stimme keine Neugierde entdecken konnte, sondern einen kaum merklichen Vorwurf. Als hätte sie in der Tiefe seiner Seele lesen können, hakte sie nach: »Sie sehen blendend aus. Meiner Erfahrung nach haben Männer wie Sie entweder eine Ehefrau oder mindestens eine Freundin. Manchmal auch beides.«
    »Dio mio!
Ich bin nicht verheiratet«, entrüstete sich Cardone. »Und ich habe auch keine Freundin«, fügte er energisch hinzu.
    Auf Rosannas Nasenwurzel zeigten sich kleine Fältchen der Überraschung. »Dann leben Sie also alleine?« Sie musterte Cardone, sah in träumerische Augen, die sich schnell verdunkeln konnten, wenn er sich ärgerte, betrachtete seine männlichen, vollen Lippen, die lausbubenhaft lächelten, aber schmal wurden, wenn ihm etwas missfiel. Er hatte lange, feingliedrige Finger und große, weiche Hände, auf denen man die Adern unter der Haut pulsieren sah. Sein Körper war schlank, fast ein wenig zu athletisch für einen Schriftsteller, und mit seiner sonnengebräunten Haut schien er frisch vom Land zu kommen. Seine dunklen, fast schwarzen Haare standen in eigenartigem Kontrast zu seinen ausdrucksvollen blauen Augen, die Rosanna an einen liebenswerten Schuft erinnerten.
    Cardone spürte beinahe körperlich ihren kritischen Blick und setzte sich in eine Position, von der er annahm, dass sie für ihn optisch günstiger war. Er wartete mit seiner Antwort, bis sie ihre ungenierte Betrachtung beendet hatte. »Nein. Ich teile mit einem Freund eine Wohnung, mitten in der Altstadt, in der Vicolo Santa Lucia, nicht weit von der Basilica di San Domenico. Carlo ist wie ich Schriftsteller. Es war für uns beide ein wahrer Glücksfall, dass wir uns kennenlernten. Wir ergänzen uns wundervoll, besonders bei unserer Arbeit. Wir ticken einfach ähnlich.«
    »Ach so …« Rosannas Mundwinkel zuckten verdächtig. »Dann sind Sie …« Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Dann haben Sie also ein Faible für Männer …«
    Er hätte sich ohrfeigen können, weil ihm seine Erklärung wie eine Einladung zu einem Missverständnis vorkam. Auf der anderen Seite gefiel ihm die Offenheit, mit der sie ihm begegnete. Voll missglückter Ironie fügte er schnell hinzu: »Ich bin nicht schwul, und eine Ehe konnte ich mir bis jetzt verkneifen. Sie wissen selbst, anständige Wohnungen sind in Bologna unbezahlbar. Die Schriftstellerei ist ein Beruf, der keine Frau in euphorische Begeisterungsstürme versetzt, sei sie noch so bindungswillig; Reichtümer werden da nicht verdient.«
    »Sie wollen mich auf den Arm nehmen, nicht wahr? Wenn ich an Joanna Rowling und ihren ›Harry Potter‹ denke …«
    »Ich bin Roberto Cardone und schreibe gesellschaftskritische Romane und anspruchsvolle Literatur, dass sollten Sie bedenken! Schriftsteller wie Stefano d’Arrigo, Antonio Tabucchi oder Umberto Eco sind meine großen Vorbilder.«
    »Whow!
Das klingt aber wichtig. Und was bedeutet das in der Praxis?«, fragte Rosanna herausfordernd. Dabei funkelten ihre dunkeln Augen spöttisch.
    Für einen kurzen Augenblick war Cardone irritiert. Das Gespräch hatte eine Wendung genommen, die ihm zunehmend unangenehm wurde, zumal es ihm vorkam, als mache sich Rosanna über ihn lustig. Wieder suchte er ihre Augen. Ihre Blicke kreuzten sich, und Cardones Herz schlug plötzlich wild. Dieses Klopfen empfand er wie einen Befehl, der alles, was nichts mit ihr zu tun hatte, aus seinem Kopf verbannte. Mein Gott, war sie
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