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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita
Autoren: Claudio M. Mancini
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ich bin keine Heilige, aber was mich angeht, machen Sie sich um Himmels willen keine Hoffnungen. Wir streben nach völlig unterschiedlichen Werten. Auch wenn es Ihnen und in Ihrer Welt profan erscheinen mag: Ich liebe Geld und Luxus, und ich könnte mir nicht vorstellen, darauf zu verzichten. Ich will es auch gar nicht. Von meiner Seite wird sich deshalb für Sie nie mehr als Sympathie entwickeln, und ich bitte Sie inständig, meine Einstellung zu respektieren.«
    »Wie können Sie so schnell wissen, was sich zwischen uns entwickelt oder nicht entwickelt? Hass kann sich schlagartig in Liebe verwandeln, Sympathie in Antipathie, Wohlwollen in Missgunst. Niemand kann vorhersagen, ob sich die Gefühle nicht aus irgendeinem Anlass dem Willen entziehen. Außerdem kennen Sie mich erst seit drei Stunden. Weshalb also sind Sie sich so sicher?«
    »Weil Armut ansteckender ist als jede Krankheit. Kennen Sie das Sprichwort: Armut studiert, Reichtum jubiliert?« Rosannas Gesichtszüge hatten einen strengen Ausdruck angenommen, und Cardone wagte nicht, ihr zu widersprechen, obwohl ihm tausend Argumente auf der Zunge lagen, mit denen er sie vielleicht hätte überzeugen können. Ihre entwaffnende Offenheit und Klarheit lähmte seinen Kampfgeist, schürte aber seinen Ärger.
    »Sprüche …«, erwiderte er verächtlich.
    »Wahrheiten!«, konterte sie mit ernster Miene. »Und sie bleiben so lange Wahrheiten, bis Sie mir das Gegenteil bewiesen haben.«
    Wieder keimte in Cardone das Gefühl der Unterlegenheit auf. Den Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hand gestützt, starrte er ins Leere. Schöne Frauen sollten ohne Mund und schlaue Frauen ohne Gesicht auf die Welt kommen, schoss es ihm durch den Kopf.
    »Sie sehen aus wie ein geprügelter Hund«, hörte er Rosanna sagen. In ihrer Stimme lag unüberhörbarer Tadel. »Ihr trauriger Blick verbirgt viele unerfüllte Wünsche, Roberto. Vielleicht sollten Sie einmal darüber nachdenken, Ihr Leben zu ändern.« Sie nahm ihre Handtasche von der Stuhllehne, kramte in deren unendlichen Tiefen und legte einen Autoschlüssel auf den Tisch. »Wissen Sie, Roberto, ein wenig erinnern Sie mich an meinen Vater«, fuhr sie versöhnlich fort.
    »Das ›Sie erinnern mich an meinen Vater‹ ist bis jetzt die netteste Art gewesen, mit der mir eine Frau gesagt hat, dass ich als Mann aus dem Rennen bin.«
    »Sind Sie sehr enttäuscht?«, fragte Rosanna mit einem hinreißenden Lächeln.
    »Ich weiß nicht. Na ja, ein wenig schon«, entgegnete Cardone. »Plötzlich fühle ich mich wie ein romantischer Idiot, aber vielleicht sollten Sie uns mehr Zeit geben, damit wir uns besser kennenlernen.«
    »Wollen wir gehen?«, beantwortete sie Cardones fragenden Blick. »Ich will nur noch schnell ein neues Parkticket in mein Auto legen. Und dann möchte ich Sie einladen, wenn Sie Zeit haben.«
    Cardone zog überrascht eine Augenbraue hoch.
    »Ich kenne ein schickes Lokal ganz in der Nähe«, fuhr sie mit gleichmütiger Stimme fort. »Der Koch macht ein wundervolles
agnello arrosto
. Ein kleines Dankeschön für den wundervollen Leseabend und ihre angenehme Gesellschaft. Und keine Widerrede! Ich bin sicher, Sie sind hungrig.«
    Er hatte Hunger und kam sich plötzlich auf unerklärliche Weise klein und unbedeutend vor. Am liebsten hätte er sich sofort unsichtbar oder, noch besser, auf den Heimweg gemacht. Aber er brachte es einfach nicht fertig, aufzustehen und zu gehen. Rosanna hatte etwas Magisches, etwas, dem er sich nicht entziehen konnte und auch nicht wollte. Wo nur war sein Stolz, wo seine Souveränität? Er nickte zustimmend und winkte der Bedienung, um zu bezahlen.
    Beethovens »Für Elise« dudelte plötzlich in Cardones Jacke. Er griff in die Innentasche des Sakkos und holte sein Handy hervor.
    »Pronto?«
    Rosanna konnte eine aufgeregte Männerstimme am Telefon hören. Cardone verlor schlagartig alle Gesichtsfarbe. Er wollte etwas erwidern, kam aber erst zu Wort, als sein Gesprächspartner den Redefluss unterbrach. »Ich bin in zehn Minuten da«, stammelte er und legte das Handy kraftlos auf den Tisch.
    »Schlechte Nachrichten?«, fragte sie.
    »Anscheinend …« Er nickte und fasste sich an die Stirn. »Carlo, mein Freund, genauer gesagt, mein Mitbewohner …« Seine Gesichtszüge wirkten wie versteinert. Er wollte noch etwas sagen, doch er war nur zu einer fahrigen Bewegung imstande. »Ich muss mich sofort auf den Weg machen«, sagte er hastig. »Entschuldigen Sie …« Sein Blick flog suchend
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