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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette
Autoren: Georges Simenon
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Linie. Zwei Männer verschwinden mitten auf den Champs-Elysées.
    Übrig bleiben nur das Gepäck in einem Appartement und Mrs. Mortimer-Levingston, deren Kopf ebenso leer ist wie der Schrankkoffer des Letten in seinem Schlafzimmer.
    Maigrets Pfeife gab ein so entnervendes Gurgeln von sich, daß der Kommissar eine Büchse mit Hühnerfedern aus einer der Schubladen nahm, das Mundstück reinigte, die Ofenklappe öffnete und die schmutzigen Federn hineinwarf.
    Vier Bier waren getrunken, in den Gläsern klebten Schaumreste. Ein Mann verließ einen der benachbarten Arbeitsräume, schloß die Tür ab und entfernte sich über den Flur.
    »Einer, der Feierabend macht«, bemerkte Torrence. »Das ist Lucas. Er hat heute abend zwei Rauschgifthändler verhaften können, weil der Sohn eines steinreichen Mannes ausgepackt hat.«
    Maigret stocherte im Feuer, richtete sich mit gerötetem Gesicht wieder auf. Unwillkürlich griff er zu der Seidenpapierhülle, nahm die Haare heraus und hielt sie ins Licht. Dann stellte er sich erneut vor die Landkarte, auf der die unsichtbare Linie der Reiseroute des Letten eine richtige Kurve, fast einen unregelmäßigen Halbkreis, bildete.
    Warum von Krakau bis nach Bremen hinauffahren, um darauf wieder südlich nach Paris zu reisen?
    Er hatte immer noch das Seidenpapiertütchen in der Hand. Er murmelte:
    »Es hat ein Paßbild enthalten.«
    Tatsächlich handelte es sich um einen jener kleinen Umschläge, die die Fotografen benutzen, wenn sie ihren Kunden die Probeabzüge liefern.
    Es hatte jedoch ein Format, wie es nur noch auf dem Lande und in kleinen Provinzstädten üblich ist und das einst als Albumformat bezeichnet wurde.
    Das Foto, das in dieser Hülle gesteckt hatte, mußte so ein Karton in halber Postkartengröße gewesen sein, auf den das Bild mit dünnem, elfenbeinfarbenem Glanzpapier aufgezogen war.
    »Ist noch jemand im Labor?« erkundigte sich der Kommissar plötzlich.
    »Ich denke schon. Sie müssen an diesem Fall im Nordexpreß arbeiten, ihre Negative entwickeln.«
    Es stand nur noch ein volles Glas auf dem Tisch. Maigret trank es aus, ohne abzusetzen, und zog seine Jacke an.
    »Kommen Sie mit? … Auf diesen Fotografien ist im allgemeinen Name und Adresse des Fotografen erhaben oder geprägt eingedruckt.«
    Torrence begriff. Sie begaben sich in ein verwirrendes Netz von Korridoren und Treppen, gingen unter dem Dach des Justizpalastes entlang und erreichten das Labor der Spurensicherung.
    Ein Fachmann nahm das Papier, befühlte es, schien es gleichsam zu beschnüffeln. Dann setzte er sich unter einen starken Scheinwerfer und rollte einen auf Räder montierten apokalyptischen Apparat zu sich heran.
    Das Prinzip ist einfach: ein Blatt weißes Papier, das eine Zeitlang mit einem bedruckten oder mit Tinte beschriebenen Blatt in Berührung gekommen ist, nimmt die dort vorhandenen Buchstaben schließlich auf.
    Das Ergebnis ist mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Doch die Fotografie macht diesen Abdruck sichtbar.
    Da im übrigen ein Ofen in dem Labor stand, war es um Maigret geschehen. Fast eine Stunde blieb er daneben stehen und rauchte seine Pfeife, während Torrence dem Fotografen bei seinem Hin und Her folgte.
    Endlich öffnete sich die Tür einer Dunkelkammer einen Spalt, und eine Stimme verkündete:
    »Da haben wir’s!«
    »Und?«
    »Das Porträt trug die Aufschrift: ›Léon Moutet, Kunstfotograf, Quai des Belges, Fécamp‹.«
    Es gehörte schon ein beruflich geschultes Auge dazu, um die kaum wahrnehmbaren Zeichen auf der Platte zu lesen, auf der beispielsweise Torrence nur undeutliche Schatten erkannte.
    »Wollen Sie die Fotos von der Leiche sehen?« fragte der Fachmann gutgelaunt. »Sie sind großartig! Dabei hatten wir in dem Eisenbahnwaschraum nicht gerade viel Platz. Können Sie sich vorstellen, daß wir die Kamera an der Decke aufhängen mußten?«
    »Sind Sie hier an das Stadtnetz angeschlossen?« fragte Maigret und deutete auf das Telefon.
    »Ja … Nach neun ist die Telefonistin nicht mehr da … Dann kann ich direkt wählen.«
    Der Kommissar rief das Majestic an, einer der Dolmetscher war am Apparat.
    »Ist Herr Mortimer-Levingston zurück?«
    »Ich werde mich erkundigen. Mit wem spreche ich?«
    »Polizei!«
    »Er ist nicht zurückgekommen.«
    »Herr Oswald Oppenheim auch nicht?«
    »Nein, auch nicht.«
    »Was macht Mrs. Mortimer?«
    Schweigen.
    »Ich frage Sie, was Mrs. Mortimer macht.«
    »Sie … ich glaube, sie ist an der Bar …«
    »Mit anderen Worten, sie ist
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