Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
es nicht. Sie hatte die Kasse im Hotel Du Chemin-de-Fer unter sich.«
    »Natürlich gegenüber dem Bahnhof!«
    »Ja, Sie haben es im Vorbeigehen sehen müssen. Sie ist Waise, aus einem kleinen Ort in dieser Gegend, Les Loges, kennen Sie ihn? Sie hat im Hotel einen Reisenden kennengelernt, der dort abgestiegen ist, einen Ausländer … Sie haben geheiratet … Zur Zeit lebt sie mit ihren zwei Kindern und einem Dienstmädchen in dieser Villa …«
    »Herr Swaan wohnt nicht in Fécamp?«
    Schweigen, der Fotograf und seine Frau tauschten Blicke aus. Dann redete die Frau.
    »Da Sie ja von der Polizei sind, ist es wohl besser, alles zu sagen, nicht wahr? Übrigens würden Sie es sowieso erfahren … Es sind nur Gerüchte … Herr Swaan ist fast nie in Fécamp. Wenn er kommt, dann nur für ein paar Tage … Manchmal ist er auch bloß auf der Durchreise …
    Als er hierher kam, war der Krieg gerade vorbei … Die Leute hier waren dabei, den Fischfang in Neufundland neu zu organisieren, auf den sie fünf Jahre lang verzichten mußten …
    Er wollte angeblich diese Dinge prüfen und Geld in die Geschäfte stecken, die sich zu entwickeln begannen.
    Er behauptete, Norweger zu sein … Mit Vornamen heißt er Olaf … Die Heringsfischer, die manchmal bis nach Norwegen fahren, sagen, daß es da oben viele Leute gibt, die so heißen …
    Trotzdem ist das Gerücht umgegangen, daß er in Wirklichkeit ein Deutscher ist, der mit Spionage zu tun hat.
    Deshalb hat man sich, als er heiratete, von seiner Frau zurückgezogen …
    Dann hieß es, daß er Seemann war, daß er als Zweiter Offizier an Bord eines deutschen Handelsschiffes fuhr und daß er deswegen so selten hier auftauchte …
    Am Ende hat man sich nicht mehr darum gekümmert, aber die Leute sind hier sowieso mißtrauisch …«
    »Sagten Sie nicht, daß er Kinder hat?«
    »Zwei … Ein kleines Mädchen von drei Jahren und ein Baby von ein paar Monaten …«
    Maigret löste das Foto aus dem Album und ließ sich den Weg zur Villa zeigen. Es war noch zu früh, um dort einen Besuch zu machen. So wartete er zwei Stunden in einem Hafencafé und hörte den Fischern bei ihren Gesprächen über den Heringsfang zu, der gerade in vollem Gang war. Fünf schwarze Schleppnetzboote lagen am Quai. Die Fische wurden fässerweise ausgeladen, und trotz des Sturms war die Luft von dem Gestank erfüllt.
    Um zu der Villa zu gelangen, ging er den menschenleeren Deich entlang und um das Kasino herum, an dessen Wänden noch die Plakate vom letzten Sommer hingen.
    Dann stieg er einen Pfad hinauf, der vom Fuß der Steilküste aufwärts führte. Hier und da gewahrte er den Zaun einer Villa. Die von ihm gesuchte war ein ansehnlicher Backsteinbau mittlerer Größe. Man merkte, daß der Garten mit seinen weißen Kieswegen während der schönen Jahreszeit sorgfältig gepflegt wurde. Von den Fenstern aus mußte man einen weiten Blick haben.
     
    Er klingelte. Eine dänische Dogge kam, wirkte nur um so gefährlicher, als sie nicht bellte, und beschnüffelte ihn durch das Gitter. Beim zweiten Schellen erschien ein Dienstmädchen, sperrte den Hund in den Zwinger und fragte:
    »Was wünschen Sie bitte?«
    Ihre Sprache verriet den einheimischen Akzent.
    »Ich möchte gerne Herrn Swaan sprechen.«
    Sie schien zu zögern.
    »Ich weiß nicht, ob der Herr zu Hause ist … Ich werde fragen …«
    Sie hatte das Tor nicht geöffnet. Es regnete immer noch in Strömen. Maigret war durch und durch naß.
    Er sah, wie das Mädchen die Stufen hinaufstieg und im Haus verschwand. Dann bewegte sich eine Gardine hinter einem Fenster. Kurz darauf kam das Mädchen zurück.
    »Der Herr wird erst in ein paar Wochen wieder hier sein. Er ist in Bremen …«
    »Dann möchte ich Frau Swaan sprechen …«
    Wieder zögerte sie, machte aber das Tor auf.
    »Die gnädige Frau ist noch nicht angekleidet. Sie müssen sich ein wenig gedulden …« Triefend naß, wie er war, wurde er in ein gepflegtes Wohnzimmer geführt. Vor den Fenstern hingen weiße Gardinen, der Parkettfußboden war gebohnert. Die Einrichtung bestand aus neuen Möbeln, wie sie in jedem kleinbürgerlichen Haushalt zu finden sind. Sie waren von guter Qualität und in dem Stil, den man um 1900 als modern bezeichnete. Helle Eiche.
    Mitten auf dem Tisch Blumen in einer kunstgewerblichen Steingutvase. Deckchen mit englischer Stickerei.
    Auf einem runden Tischchen hingegen ein herrlich ziselierter, silberner Samowar, der allein mehr wert war als das übrige Mobiliar zusammen.
    Irgendwo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher