Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
sie entgangen war. Sicher hätte Bonvoisin sie nicht lebend zurückgelassen. Sie hatte ihn gesehen, wie Philippe ihn gesehen hatte. Wenn er sie nicht gleich wie die beiden anderen erdrosselt hatte, so gewiß nur darum, weil er sich die Zeit bis zur Rückkehr des jungen Mannes mit ihr vertreiben wollte.
     
     
    Um drei Uhr morgens wurde Oskar Bonvoisins Leiche in einen der Metallkästen im Gerichtsärztlichen Institut gelegt, unweit der Leichen von Arlette und der Gräfin.
    Nachdem Philippe sich bei Francis, wo er sich schließlich niedergelassen hatte, mit einem Gast gestritten, war er von einem uniformierten Polizisten auf die Wache gebracht worden. Torrence war dann schlafen gegangen. Die Inspektoren, die von der Place Blanche bis zur Place du Tertre und von dort bis zur Place Constantin Pecqueur ewig im Kreise herumgegangen waren, hatten sich ebenfalls nach Hause begeben.
    Als Maigret in Begleitung von Lapointe und Janvier aus dem Hause der Kriminalpolizei herauskam, überlegte er einen Augenblick und sagte dann:
    »Wie wär’s, wenn wir noch eine Flasche tränken?«
    »Wo?«
    »Im Picratt.«
    »Ohne mich«, erwiderte Janvier. »Meine Frau erwartet mich, und unser Baby weckt uns immer früh.«
    Lapointe sagte nichts, aber er stieg hinter Maigret in das Taxi. Sie kamen gerade noch zur rechten Zeit in die Rue Pigalle, um den Auftritt der Neuen zu sehen. Als sie eintraten, eilte Fred sofort auf sie zu: »Hat’s geklappt?«
    Maigret nickte nur, und ein paar Augenblicke später wurde ein Champagnerkübel neben ihren Tisch gestellt, neben den Tisch 6, an dem sie scheinbar zufällig Platz genommen hatten. Das schwarze Kleid glitt langsam von dem weißschimmernden Körper des Mädchens herunter, die ängstlich zu ihnen hinblickte, zögerte, sich ganz zu entbloßen, und, wie sie es schon am Abend getan, schließlich mit beiden Händen ihre Scham bedeckte.
    Tat Fred das absichtlich? Er hätte eigentlich in diesem Augenblick den Scheinwerfer ausschalten und den Saal so lange dunkel lassen müssen, bis die Tänzerin ihr Kleid aufgehoben hätte. Aber der Scheinwerfer blieb brennen, und das arme Mädchen, das nicht wußte, wie es sich verhalten sollte, entschloß sich nach einer Weile, in die Küche zu flüchten, wobei es sein rundes, weißes Gesäß allen Blicken darbot.
    Die wenigen Gäste lachten schallend. Maigret glaubte, daß auch Lapointe lachte. Aber als er ihn dann ansah, merkte er, daß der Inspektor weinte.
    »Verzeihen Sie bitte«, stammelte er, »ich sollte das nicht… ich weiß selber, daß es töricht ist… aber ich… ich habe sie nun einmal geliebt.«
    Noch sehr viel beschämter war er am nächsten Morgen beim Erwachen. Er hatte keine Ahnung, wie er nach Hause gekommen war. Seine Schwester meinte, als sie die Vorhänge aufzog: »So also läßt du dich von dem Kommissar ins Bett bringen?« Natürlich hatte Maigret ihr nicht die Wahrheit gesagt.
    Lapointe hatte in dieser Nacht seine erste Liebe begraben. Und zum erstenmal in seinem Leben hatte er einen Menschen getötet.
    Den armen Lognon hatte man auf seinem Posten ganz vergessen, und er stand immer noch, vor Kälte zitternd, auf der Treppe an der Place Constantin Pecqueur.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher