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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette
Autoren: Georges Simenon
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Licht, und Maigret fielen außerdem besonders die vielen Spiegel auf, die an gewisse Bordelle erinnerten. In dem angrenzenden Badezimmer hingen fast ebenso viele Spiegel.
    Außer den Lebensmitteln in der Küche, dem Wein in der Wanne, dem Feuer im Ofen fand sich hier nichts, was darauf hindeutete, daß dieses Haus bewohnt war. Nirgends lag etwas herum, wie es selbst in den gepflegtesten Wohnungen vorkommt. In den Aschenbechern war nicht ein bißchen Asche, und in den Schränken keinerlei schmutzige Wäsche oder irgendein zerknittertes Kleidungsstück.
    Warum das alles so war, begriff Maigret erst, als er in den ersten Stock hinaufkam und nicht ohne eine gewisse Beklemmung die beiden Türen öffnete. Das nur von dem Geräusch des Regens, der auf das Dach trommelte, unterbrochene Schweigen hatte etwas Unheimliches. – Aber auch hier war niemand.
    Das Zimmer zur Linken war das eigentliche Schlafzimmer Oskar Bonvoisins. Hier führte er also sein einsames Leben. Das Bett war aus Eisen, dicke rote Decken lagen darauf, es war nicht gemacht, und Tücher und Kissen wirkten nicht gerade sauber. Auf dem Nachttisch lag Obst, darunter ein angebissener und schon bräunlich aussehender Apfel. Auf dem Fußboden standen schmutzige Schuhe, und zwei oder drei Päckchen mit Zigaretten lagen herum, überall waren auch Zigarettenstummel verstreut. Während sich unten ein richtiges Badezimmer befand, gab es hier in einer Ecke des Zimmers nur ein Emaillebecken mit einem einzigen Hahn, und an einem Haken hingen benutzte Handtücher und eine Männerhose.
    Vergeblich suchte Maigret nach Papieren. In den Schubladen fand er alles mögliche, sogar Pistolenmunition, aber nicht ein einziger Brief, nicht ein Dokument. Als er dann wieder hinunterging, entdeckte er in der Kommode im Schlafzimmer ein Fach voller Fotografien und ebenso die Filme, den Apparat, mit dem sie aufgenommen waren, und eine Magnesiumlampe. Es waren lauter Fotos wie die von Arlette. Zwanzig Frauen mindestens, alle jung und gut gebaut, hatten Bonvoisin als Modelle gedient und waren in den gleichen eindeutigen Stellungen darauf zu sehen. Einige der Fotos waren vergrößert.
    Maigret mußte noch einmal hinaufsteigen, um im ersten Stock die Dunkelkammer zu entdecken, in der sich über dem Becken eine rote Birne befand und wo unzählige Flaschen mit Chemikalien herumstanden.
    Er ging gerade wieder hinunter, als er draußen Schritte hörte, und stellte sich dicht an die Wand, wobei er seinen Revolver auf die Tür gerichtet hielt.
    »Ich bin’s, Chef!«
    Es war Janvier, der bis auf die Haut durchnäßt war und dessen Hut durch den Regen ganz seine Form verloren hatte. »Haben Sie was gefunden?«
    »Was macht Philippe?«
    »Er läuft immer noch im Kreis herum. Ich verstehe nicht, wie er sich noch auf den Beinen halten kann. Er hat sich gegenüber vom Moulin Rouge mit einer Blumenverkäuferin gestritten, von der er Morphium haben wollte. Sie hat es mir eben erzählt. Sie kennt ihn vom Sehen. Er hat sie angefleht, ihm doch einen Tip zu geben, wo er was bekommen könnte. Dann ist er in eine Telefonzelle gegangen und hat Dr. Bloch angerufen, um ihm zu sagen, er sei völlig am Ende, und dabei hat er ihm zugleich mit irgend etwas gedroht. Wenn das so weiter geht, wird er uns noch auf der Straße zusammenbrechen.«
    Janvier blickte in das leere Haus, dessen Zimmer jetzt sämtlich erleuchtet waren.
    »Glauben Sie nicht, daß der Vogel ausgeflogen ist?«
    Er roch nach Alkohol und lächelte krampfhaft, wie es Maigret nur allzugut an ihm kannte.
    »Haben Sie die Bahnhöfe nicht benachrichtigen lassen?«
    »Nach der Glut im Ofen zu schließen, hat er vor mindestens drei oder vier Stunden das Haus verlassen. Mit anderen Worten: wenn er die Absicht hatte, zu flüchten, sitzt er schon längst im Zug. Es ist nur die Frage, wohin er gefahren ist.«
    »Man kann doch noch die Grenzstationen benachrichtigen.«
    Es war seltsam. Maigret hatte gar keine Lust, den riesigen Polizeiapparat in Bewegung zu setzen. Gewiß, das war nur eine Vermutung, aber er konnte sich nicht denken, daß dieser Fall nicht im engen Rahmen vom Montmartre sein Ende finden würde, wo sich alles bisher abgespielt hatte.
    »Glauben Sie, daß er Philippe irgendwo auflauert?«
    Der Kommissar zuckte die Schultern. Er wußte es nicht. Er verließ das Haus und fand Lognon wieder draußen im Schatten der Mauer.
    »Du machst jetzt am besten da drinnen wieder alle Lampen aus und bleibst dann weiter auf deinem Posten.«
    »Denken Sie, daß er
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