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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän
Autoren: Georges Simenon
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ich Sie verhaftet habe. Er hat erraten, daß ich es nur tat, um ihm Zeit zum Nachdenken zu geben.«
    Sie hatten ihren Weg fortgesetzt und blieben dann beide gleichzeitig abrupt stehen. Sie waren an der Mole angelangt. Langsam glitt die ›Saint-Michel‹ vorüber, gesteuert von einem alten Fischer, der stolz das Ruder handhabte.
    Ein Mann kam herbeigerannt, schob die Schaulustigen zur Seite und sprang als erster an Bord: Grand-Louis!
    Er war den Gendarmen entwischt, hatte die Handschellen gesprengt! Er stieß den Fischer beiseite und ergriff selbst das Ruder.
    »Nicht so schnell, zum Teufel! … Ihr werdet noch alles zertrümmern!« brüllte er den Leuten auf dem Schlepper zu.
    »Und die beiden anderen?« fragte Maigret seinen Begleiter.
    »Sie waren heute morgen nicht mehr als einen Meter von Ihnen entfernt. Sie hatten sich beide in dem Holzschuppen bei der Alten versteckt.«
    Lucas bahnte sich einen Weg durch die Menge und sah Maigret erstaunt an.
    »Wissen Sie schon? Man hat sie!«
    »Wen?«
    »Lannec und Célestin.«
    »Sind sie hier?«
    »Die Gendarmen aus Dives haben sie eben gebracht.«
    »Nun, sag ihnen, sie sollen sie freilassen … Und sie sollen beide zum Hafen kommen.«
    Gegenüber sah man das kleine Haus von Kapitän Joris und seinen Garten, wo der nächtliche Sturm die letzten Rosen entblättert hatte. Eine Gestalt hinter einer Gardine: Julie, die sich sicher fragte, ob es wirklich ihr Bruder war, den sie dort auf dem Schiff sah.
    An der Schleuse, um Kapitän Delcourt versammelt, die Hafenleute.
    »Die haben mir mit ihren ausweichenden Antworten ganz schön zugesetzt«, seufzte Maigret.
    Raymond lächelte.
    »Es sind Seeleute!«
    »Ich weiß. Und Seeleute mögen es nicht, wenn eine Landratte wie ich sich in ihre Angelegenheiten mischt!«
    Er stopfte seine Pfeife, indem er mit dem Zeigefinger den Tabak mehrmals festdrückte. Als er sie angesteckt hatte, murmelte er mit besorgter Miene:
    »Was soll man ihnen sagen?«
    Ernest Grandmaison war tot. War es nötig kundzutun, daß er ein Mörder war?
    »Man könnte vielleicht …« begann Raymond.
    »Also ich weiß nicht! Sagen, daß es sich um eine Rache handelt? Ein ausländischer Seemann, der wieder weggefahren ist?«
    Die Männer von dem Schlepper begaben sich mit müden Schritten zur Kneipe und winkten den Schleusenarbeitern, ihnen zu folgen.
    Und Grand-Louis marschierte auf seinem Schiff hin und her, betätschelte jeden Gegenstand, so wie man einen wiedergefundenen Hund betätschelt, um festzustellen, ob er nicht verletzt ist.
    »Hör mal!« rief Maigret ihm zu.
    Er zuckte zusammen, zögerte herbeizukommen oder vielmehr, sein Schiff schon wieder zu verlassen. Und als er Raymond in Freiheit sah, war er ebenso verblüfft wie Lucas.
    »Was ist?«
    »Wann wird die ›Saint-Michel‹ wieder in See stechen können?«
    »Jetzt gleich, wenn jemand will! Nichts ist kaputt! Ein fantastisches Schiff, ich schwöre Ihnen …«
    Er sah Raymond fragend an, und dieser sagte:
    »Wenn das so ist, dann mach doch eine kleine Vergnügungsfahrt mit Lannec und Célestin!«
    »Sind die hier?«
    »Sie kommen gleich … Ihr könnt ruhig ein paar Wochen verschwinden. Und weit genug weg! Damit man hier in der Gegend nicht mehr von der ›Saint-Michel‹ spricht!«
    »Ich könnte zum Beispiel meine Schwester mitnehmen, damit sie für uns kocht. Wissen Sie, Julie hat keine Angst …«
    Aber er fühlte sich nicht ganz wohl in seiner Haut, und das wegen Maigret. Er dachte an die nächtlichen Ereignisse. Er wußte noch nicht, ob er darüber lächeln durfte.
    »War es Ihnen wenigstens nicht zu kalt?«
    Er stand am Rand des Hafenbeckens. Maigret versetzte ihm einen Puff, und er fiel ins Wasser.
    »Ich glaube, um sechs Uhr fährt ein Zug …« sagte der Kommissar dann.
    Aber er konnte sich nicht zum Gehen entschließen. Fast ein wenig sehnsüchtig blickte er um sich, als hätte er den kleinen Hafen liebgewonnen.
    Kannte er ihn nicht in all seinen Winkeln, unter allen möglichen Aspekten? In der kühlen Morgensonne wie im Sturm, versunken im Regenschleier oder im Nebel?
    »Fahren Sie nach Caen?« fragte er Raymond, der nicht von ihm wich.
    »Nicht sofort. Ich glaube, es ist besser … Man sollte etwas Zeit …«
    »Tja, die Zeit …«
    Als eine Viertelstunde später Lucas wiederkehrte und sich nach Maigret erkundigte, zeigte man auf die Seemannskneipe, wo eben die Lampen angingen.
    Er entdeckte den Kommissar hinter den beschlagenen Fenstern.
    Ein gemütlich in einem Korbstuhl sitzender
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