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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän
Autoren: Georges Simenon
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getan? Ein Mann wie er! Wissen Sie, daß er Präsident der Handelskammer ist?«
    »Um so besser!«
    Rechts in der Halle ein Büro: Sekretariat . Maigret klopfte, stieß die Tür auf, schnupperte Zigarrengeruch, sah aber niemanden.
    Ein Büro links: Verwaltung . Und es war die gleiche ernste und feierliche Atmosphäre, waren die gleichen dunkelroten Teppiche, die gleichen goldgemusterten Tapeten und reich verzierten Stuckdecken.
    Der Eindruck, daß niemand hier drinnen laut zu sprechen wagen würde. Man sah im Geiste gesetzte Herren im Nadelstreifenanzug vor sich, die bedächtig sprachen, während sie dicke Zigarren rauchten.
    Das seriöse, solide Unternehmen. Die alte Provinzfirma, die Generationen hindurch vom Vater auf den Sohn übergegangen war.
    »Monsieur Grandmaison? – Seine Unterschrift ist Gold wert!«
    Maigret war jetzt in dessen Büro, das im Empire-Stil eingerichtet war, wie es sich für einen hohen Direktor gehörte! An den Wänden Fotografien von Schiffen, Statistiken, Grafiken, mehrfarbige Tabellen.
    Und während er, die Hände in den Taschen, mal hierhin, mal dahin ging, öffnete sich plötzlich eine Tür, und der weißhaarige Kopf eines alten Mannes lugte heraus.
    »Was ist hier los?« fragte er erschrocken.
    »Polizei!« entgegnete Maigret so schroff wie möglich, als liebte er es, von einem Extrem ins andere zu fallen.
    Und er sah, wie der Alte zusammenfuhr, wie ihn das Entsetzen packte.
    »Beunruhigen Sie sich nicht. Es geht um einen Fall, mit dem mich Ihr Direktor beauftragt hat. Sie sind doch …«
    »Der Hauptkassierer«, beeilte sich der Mann zu bestätigen.
    »Und beschäftigt sind Sie im Haus seit … seit …«
    »… zweiundvierzig Jahren. Ich habe zu Monsieur Charles’ Zeiten angefangen.«
    »Ja, genau. Und das Büro nebenan ist Ihres? Ich glaube, Sie sind es im Augenblick, der hier nach dem Rechten sieht, nicht wahr? Wenigstens hat man mir das gesagt.«
    Maigret riskierte nichts. Es genügte, das Haus zu sehen und dann noch diesen treuen Angestellten, um alles zu erraten.
    »Das versteht sich sozusagen von selbst, nicht wahr? Wenn Monsieur Ernest nicht hier ist …«
    »Monsieur Ernest?«
    »Ja, Monsieur Grandmaison, meine ich. Ich habe ihn schon als kleinen Jungen gekannt, und so nenne ich ihn halt immer noch Monsieur Ernest.«
    Maigret trat wie unbeabsichtigt in das Büro des Alten, ein Büro ohne Luxus, in dem man spürte, daß das Publikum hier keinen Zutritt hatte, in dem sich jedoch, wie sonst nirgendwo, Aktenstöße stapelten.
    Auf dem überladenen Schreibtisch in Papier gewickelte belegte Brote. Auf dem Ofen eine dampfende kleine Kaffeekanne.
    »Sie nehmen Ihre Mahlzeiten hier ein, Monsieur …? Na, jetzt habe ich doch Ihren Namen vergessen …«
    »Bernardin. Aber alle sagen Vater Bernard. Ich lebe allein und da lohnt es sich nicht, daß ich zum Mittagessen nach Hause gehe. Sagen Sie, ist es wegen des kleinen Diebstahls letzte Woche, weswegen Monsieur Ernest Sie gerufen hat? … Er hätte es mir sagen sollen, denn inzwischen hat sich das erledigt. Ein junger Mann hatte die zweitausend Francs aus der Kasse genommen. Sein Onkel hat es zurückgezahlt. Der junge Mann hat geschworen … Verstehen Sie? In dem Alter! Er war einfach in schlechte Gesellschaft geraten …«
    »Wir werden das nachher klären. Bitte, essen Sie ruhig weiter. Sie waren also schon Monsieur Charles’ Vertrauensmann, ehe Sie es bei Monsieur Ernest wurden?«
    »Ich war Kassierer. Es gab damals noch keinen Hauptkassierer. Ich könnte fast behaupten, daß der Titel eigens für mich geschaffen wurde.«
    »Ist Monsieur Ernest der einzige Sohn von Monsieur Charles?«
    »Der einzige Sohn, ja. Da war auch eine Tochter, die einen Industriellen aus Lille geheiratet hat, aber sie ist im Wochenbett gestorben, ebenso wie das Kind.«
    »Aber Monsieur Raymond?«
    Der Alte hob erstaunt den Kopf.
    »Ach! Hat Monsieur Ernest Ihnen gesagt …«
    Der Alte zeigte sich jetzt trotz allem etwas reservierter.
    »Gehört er nicht zur Familie?«
    »Ein Vetter. Auch ein Grandmaison. Nur besaß er kein Vermögen. Sein Vater starb in den Kolonien … Das gibt es in allen Familien, nicht wahr?«
    »In allen!« bestätigte Maigret, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Monsieur Ernests Vater hatte ihn sozusagen adoptiert. Das heißt, er hatte ihm hier eine Arbeitsstelle verschafft …«
    Jetzt brauchte Maigret präzisere Auskünfte, und er beendete das Spielchen, das er bisher mit dem Alten getrieben hatte.
    »Einen Augenblick, Monsieur
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