Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Orne, an einen Platz, an dem irgendein Fischer gewöhnlich sein Boot an Land zieht. Und das Boot war am anderen Ufer …«
    »Sind die Polizisten hinüber?«
    »Ja. Und sie sind fast auf der Höhe des gestrandeten Schiffes an den Strand gelangt. Dort am Rand der Dünen stehen …«
    »… die Ruinen einer Kapelle!«
    »Das wissen Sie?«
    »Die Kapelle Unserer Lieben Frau in den Dünen.«
    »Nun gut, dort hat man Grand-Louis geschnappt. Er hockte da und schaute zu, wie sie das Schiff flottzukriegen versuchen. Als ich hinkam, flehte er die Gendarmen an, ihn nicht sofort mitzunehmen, ihn am Strand zu lassen, bis alles beendet sei. Ich habe es erlaubt. Nun sitzt er dort, in Handschellen. Gibt Anweisungen, weil er Angst hat, sein Schiff zu verlieren. Wollen Sie ihn nicht sprechen?«
    »Ich weiß nicht. Später vielleicht.«
    Denn da waren die beiden anderen, die im Wagen, Monsieur und Madame Grandmaison, die geduldig warteten.
    »Glauben Sie, daß wir die Wahrheit noch rauskriegen?«
    Und da Maigret nicht antwortete, fügte Lucas hinzu:
    »Also ich glaube allmählich das Gegenteil. Sie lügen alle! Die, die nicht lügen, schweigen, obwohl sie etwas wissen. Man könnte fast meinen, der ganze Ort sei für Joris’ Tod verantwortlich.«
    Aber der Kommissar zuckte nur mit den Schultern und brummte:
    »Bis später!«
    Im Auto befahl er zur großen Überraschung des Chauffeurs:
    »Nach Hause!«
    Es war, als spräche er von seinem eigenen Haus, als sei er der Hausherr!
    »Zum Haus in Caen?«
    Ehrlich gesagt, hatte der Kommissar daran gar nicht gedacht. Aber es brachte ihn auf eine Idee.
    »In Caen, jawohl.«
    Monsieur Grandmaisons Miene verdüsterte sich. Seine Frau hingegen zeigte überhaupt keine Reaktion mehr. Sie schien sich mit ihrem Schicksal abzufinden, nicht den geringsten Widerstand leisten zu wollen.
     
    Vom Stadtrand bis zur Rue du Four zogen bestimmt fünfzig Männer den Hut. Jedermann schien Monsieur Grandmaisons Wagen zu kennen. Und es waren respektvolle Grüße. Der Reeder wirkte wie ein Lehnsherr, der durch seine Güter reist.
    »Nur eine Formalität«, sagte Maigret leise, als das Auto schließlich anhielt. »Sie werden entschuldigen, daß ich Sie hergebracht habe … Aber wie ich Ihnen heute morgen schon sagte … bis heute abend sollte die ganze Sache erledigt sein.«
    Es war eine ruhige Straße, gesäumt von diesen prunkvollen Herrschaftshäusern, die man nur noch in der Provinz findet. Vor dem Haus aus nachgedunkeltem Naturstein war ein kleiner Turmbau, und am Tor verkündete eine Kupfertafel:
     
    Anglo-Normande – Schiffahrtsgesellschaft
    Im Hof ein Schild mit einem Pfeil: Büros
    Ein anderes Schild, ein anderer Pfeil: Kasse
    Und ein Hinweis: Die Büros sind von 9 . 00 bis
    16 . 00 Uhr geöffnet
     
    Es war kurz nach Mittag. Die Fahrt von Ouistreham hatte nur zehn Minuten gedauert. Um diese Zeit waren die meisten Angestellten beim Mittagessen, aber einige waren dageblieben und hielten die Stellung in düsteren, feierlichen Räumen mit dicken Teppichen und Louis-Philippe-Möbeln.
    »Möchten Sie in Ihre Wohnung gehen, Madame? Ich werde Sie wahrscheinlich später um ein kurzes Gespräch bitten müssen.«
    Im Erdgeschoß befanden sich nur Büros. Es gab eine weitläufige Halle, deren Eingang von schmiedeeisernen Stehlampen flankiert war. Eine Marmortreppe führte in den ersten Stock hinauf, den die Grandmaisons bewohnten.
    Der Bürgermeister von Ouistreham wartete verdrossen darauf, daß Maigret über ihn entschied.
    »Was wollen Sie wissen?« murmelte er.
    Und er schlug seinen Mantelkragen hoch, zog seinen Hut tief ins Gesicht, damit seine Angestellten nicht sehen konnten, wie schlimm ihn die Fäuste von Grand-Louis zugerichtet hatten.
    »Nichts Besonderes. Ich bitte Sie lediglich um die Erlaubnis, frei umhergehen und die Luft des Hauses schnuppern zu dürfen.«
    »Brauchen Sie mich?«
    »Nicht im geringsten.«
    »Dann werden Sie wohl nichts dagegen haben, wenn ich mich meiner Frau anschließe.«
    Der Respekt, mit dem er von seiner Frau sprach, paßte so gar nicht zu der Szene am Vormittag in dem Häuschen der alten Frau.
    Maigret sah ihm nach, bis er auf der Treppe verschwand, ging bis ans Ende des Korridors und vergewisserte sich, daß es nur einen Ausgang in dem Gebäude gab.
    Dann ging er hinaus, stöberte einen Polizisten in der Nähe auf und ließ ihn beim Tor Posten beziehen.
    »… verstanden? Sie können jeden herauslassen, außer den Reeder. Sie kennen ihn?«
    »Natürlich! Aber … Was hat er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher