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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen
Autoren: Georges Simenon
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elf Kl a vier gespielt. Mein Vater war schon um neun ins Bett gegangen, wie üblich. Meine Schwester und ich haben Marguerite bis zur Brücke zurückgebracht …«
    »Und Sie sind niemandem begegnet?«
    »Niemandem … Es war kalt. Wir gingen ins Haus zurück. Auch am nächsten Morgen dachten wir noch an nichts Böses. Am Nachmittag sprach man dann davon, daß Germaine Piedbœuf verschwunden sei. Erst zwei Tage später ist man auf die Idee gekommen, uns zu ve r dächtigen, weil irgendwer gesehen hatte, wie sie hier ins Haus ging. Erst hat uns der Polizeikommissar vorgel a den, dann Ihr Kollege aus Nancy. Offenbar hatte Mo n sieur Piedbœuf Anzeige erstattet. Sie haben das ganze Haus durchsucht, selbst den Keller und die Schuppen – sogar den Garten haben sie umgegraben.«
    »Und Ihr Bruder war am 3 . nicht in Givet?«
    »Nein! Er kommt immer nur samstags, mit dem Motorrad, selten an einem Wochentag. Die ganze Stadt ist gegen uns, weil wir Flamen sind und weil wir Geld h a ben …«
    Ein Anflug von Stolz in der Stimme. Genauer gesagt, ein solides Selbstbewußtsein.
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, was für Geschichten man schon erfunden hat …«
    Schon wieder die Ladenglocke und gleich darauf eine junge Stimme:
    »Ich bin’s nur! Laßt euch nicht stören …«
    Eilige Schritte. Eine sehr weibliche Gestalt , die in das Eßzimmer stürmte und abrupt vor Maigret stehen blieb.
    »Oh, Entschuldigung! Ich wußte nicht …«
    »Kommissar Maigret, der gekommen ist, uns zu helfen … Meine Kusine Marguerite …«
    Eine zierliche, behandschuhte Hand in der Pranke Maigrets. Und ein schüchternes Lächeln.
    »Anna hat mir gesagt, daß Sie sich bereit erklärt hätten …«
    Sie war sehr zart, zarter noch als hübsch. Blonde Kräusellöckchen umrahmten ihr Gesicht.
    »Sie spielen Klavier, nicht wahr?«
    »Ja. Die Musik bedeutet mir alles – besonders, wenn ich traurig bin.«
    Ihr Lächeln erinnerte an den Ausdruck der Fotomodelle auf den Reklameprospekten: die Lippen zu einem Schmollmund geschürzt, der Blick halb verschleiert, der Kopf ein wenig zur Seite geneigt …
    »Ist Maria noch nicht zu Hause?«
    »Nein. Sicher hat ihr Zug wieder Verspätung.«
    Der allzu schwach gearbeitete Stuhl knarrte bedenklich, als Maigret die Beine übereinanderschlagen wollte.
    »Um wieviel Uhr sind Sie am Abend des 3 . Januar hierhergekommen?«
    »Um halb neun. Vielleicht auch ein bißchen früher. Wir essen früh zu Abend, und mein Vater erwartete Freunde zum Bridge.«
    »War das Wetter so wie heute?«
    »Es regnete … Es hat eine ganze Woche lang geregnet.«
    »Hatte die Maas schon Hochwasser?«
    »Es fing gerade an. Aber die Schleusen sind erst am 5 . oder 6 . geöffnet worden. Es gab noch Schleppzüge, die den Fluß entlangfuhren.«
    »Ein Stück Torte, Herr Kommissar? Nein? Dann vie l leicht eine Zigarre?«
    Anna hielt ihm ein Kistchen belgischer Zigarren hin und murmelte, wie um sich zu entschuldigen:
    »Das ist nicht geschmuggelt … Ein Teil des Hauses steht auf der belgischen Seite und ein Teil in Frankreich.«
    »Jedenfalls ist Ihr Bruder ganz aus der Sache heraus , denn er war ja in Nancy …«
    Anna fiel ihm störrisch ins Wort:
    »Nicht einmal das! Bloß, weil ein Betrunkener behauptet, sein Motorrad erkannt zu haben, wie es den Kai entlangfuhr. Erzählt hat er das vierzehn Tage später … Als ob er sich dann noch daran hätte erinnern können! Da steckt Gérard dahinter, der Bruder von Ge r maine Piedbœuf . Von Arbeit hält er nicht gerade viel. Also verbringt er seine Zeit damit, Zeugen aufzustöbern. Stellen Sie sich vor: die Piedbœufs wollen sich als N e benkläger am Verfahren beteiligen und dreihunderttausend Francs Schadenersatz verlangen!«
    »Wo ist das Kind?«
    Die Glocke läutete, und man hörte Madame Peeters in den Laden eilen. Anna stellte die Torte in das Buffet und die Kaffeekanne auf den Ofen.
    »Bei den Piedbœufs!«
    Hinter der Zwischenwand hörte man einen Schiffer lauthals nach Genever verlangen.
    2
    Die »Etoile Polaire«
    M
    arguerite van de Weert kramte aufgeregt in ihrer Handtasche, weil sie Anna unbedingt etwas ze i gen wollte.
    »Hast du das Echo de Givet schon gelesen?«
    Und sie hielt ihr einen Zeitungsausschnitt hin. Sie hatte ein bescheidenes Lächeln aufgesetzt. Anna gab das Papier an Maigret weiter.
    »Wer hat dich auf diese Idee gebracht?«
    »Ich bin selbst darauf gekommen, gestern, nur so.«
    Es war eine Kleinanzeige:
     
    Der Motorradfahrer, der am Abend des 3 . Januar den Kai
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