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Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Titel: Maigret - 43 - Hier irrt Maigret
Autoren: Georges Simenon
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1
    Es war acht Uhr fünfundzwanzig, als Maigret vom Tisch aufstand und seine letzte Tasse Kaffee austrank. Obwohl es erst November war, brannte Licht. Madame Maigret stand am Fenster und versuchte, durch den Nebel die Passanten zu sehen, die mit gekrümmtem Rücken, die Hände in den Taschen vergraben, zur Arbeit eilten.
    »Du solltest deinen warmen Mantel anziehen«, sagte sie.
    Wenn sie nämlich wissen wollte, wie das Wetter war, beobachtete sie die Leute auf der Straße. Heute morgen hatten sie es alle sehr eilig; viele trugen Schals und stampften auf eine ganz typische Art über das Trottoir, um sich zu erwärmen. Mehrere putzten sich die Nase.
    »Ich hole ihn dir.«
    Er hielt die Tasse noch in der Hand, als das Telefon läutete. Während er den Hörer abnahm, sah er ebenfalls zu den gegenüberliegenden Häusern hinaus, deren Umrisse in dem während der Nacht herabgesunkenen Nebel kaum zu sehen waren.
    »Hallo! Kommissar Maigret? Hier Dupeu, vom Polizeirevier Ternes.«
    Seltsam, daß ausgerechnet Dupeu jetzt anrief: Es gab wohl kaum jemanden, der zu der Stimmung heute morgen besser gepaßt hätte als er. Dupeu war Polizeikommissar in der Rue de l’Etoile. Er schielte. Seine Frau schielte. Und von seinen drei Töchtern, die Maigret nicht kannte, wurde dasselbe gesagt. Er war ein gewissenhafter Beamter, immer ängstlich darauf bedacht, alles richtig zu machen, so daß er darüber fast krank wurde. Selbst die Dinge um ihn herum schienen davon trübsinnig zu werden, und obwohl man wußte, daß er der beste Mensch der Welt war, konnte man nicht umhin, einen Bogen um ihn zu machen. Ganz abgesehen davon, daß er sommers wie winters verschnupft war.
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie zu Hause störe. Ich dachte, Sie seien noch nicht weggegangen, und da sagte ich mir …«
    Jetzt hieß es warten. Warten, bis Dupeu mit seinen Erklärungen fertig war. Er mußte immer alles erklären; es war, als fühlte er sich schuldig, was immer er auch tat.
    »Ich weiß, daß Sie immer gerne persönlich zugegen sind. Ich kann mich irren, aber ich habe das Gefühl, daß es sich um einen ziemlich ungewöhnlichen Fall handelt. Das heißt, ich weiß natürlich noch nichts, oder fast nichts. Ich bin eben erst angekommen.«
    Madame Maigret wartete, den Mantel in der Hand, und damit sie nicht die Geduld verlor, flüsterte er ihr zu:
    »Dupeu!«
    Der andere fuhr mit eintöniger Stimme fort:
    »Ich bin wie gewöhnlich um acht Uhr ins Büro gekommen. Ich war gerade dabei, die erste Post durchzusehen, als ich um acht Uhr sieben einen Anruf von der Putzfrau erhielt. Von der Putzfrau, die in der Wohnung in der Avenue Carnot die Leiche entdeckt hat. Weil es von hier ja nur ein Katzensprung ist, bin ich mit meinem Sekretär sofort hingeeilt.«
    »Mord?«
    »Man könnte unter Umständen Selbstmord annehmen. Aber ich bin überzeugt, daß es Mord ist.«
    »Wer?«
    »Eine gewisse Louise Filon, von der ich noch nie gehört habe. Eine junge Frau.«
    »Ich komme hin.«
    Dupeu begann wieder zu sprechen, aber Maigret tat, als hörte er es nicht, und hängte ein. Bevor er ging, rief er noch beim Quai des Orfèvres an und ließ sich mit dem Erkennungsdienst verbinden.
    »Ist Moers da? Ja, holen Sie ihn … Bist du’s, Moers? Kannst du mit deinen Leuten in die Avenue Carnot kommen? Ein Mord, ja. Ich werde dort sein …«
    Er nannte die Hausnummer, schlüpfte in den Mantel, und wenige Augenblicke später gab es eine dunkle Gestalt mehr, die mit raschen Schritten durch den Nebel ging. Erst an der Ecke des Boulevard Voltaire fand er ein Taxi.
    Die Straßen rings um den Triumphbogen waren fast menschenleer. Ein paar Männer schafften gerade die Mülleimer fort. An den meisten Fenstern waren die Vorhänge noch zugezogen, und nur in einigen war Licht zu sehen.
    In der Avenue Carnot stand ein Schutzmann in Pelerine auf dem Gehsteig; aber es gab weder einen Menschenauflauf noch irgendwelche Neugierige.
    »Welcher Stock?« fragte Maigret.
    »Dritter.«
    Er öffnete das Haustor mit den blankgeputzten Messingknöpfen und trat ein. Die Concierge saß in ihrer Loge, in der Licht brannte, und frühstückte. Sie sah ihn durch die Glastür an, rührte sich aber nicht. Wie in jedem gepflegten Haus funktionierte der Fahrstuhl geräuschlos. Das Rot der Läufer bildete einen schönen Kontrast zur gebohnerten Eichentreppe.
    Im dritten Stock sah er drei Türen und stand einen Augenblick unschlüssig da, als die linke Tür aufging. Dupeu stand da, mit roter Nase, wie Maigret erwartet
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