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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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Mutter versuchte nie, durch Wände zu gehen. Sie versuchte so weiterzuleben, als hätte sich nichts verändert. Mutter und Tochter in einem Haus, Schatten, na und? Als wäre alles wie immer. Sie bat Mirita sogar an den Tisch zu den üblichen Mahlzeiten, auch wenn es nichts zu essen gab und sie vor leeren Tellern saßen und sich vorstellen mussten, wie Brot schmeckte. Als wäre der Hunger in ihnen nicht von ganz anderer Art.
    »Ich geh ein bisschen spazieren«, kündigte Mirita an und benutzte ebenfalls brav die Tür.
    Auf den Straßen war nicht besonders viel los. Die meisten Akinker verkrochen sich in ihren Häusern und brüteten vor sich hin. Andere hatten sich eine Beschäftigung gesucht, mit der sie nichts zu tun haben wollte.
    »He, schöne Frau, kommst du mit auf die Jagd?«
    »Vergiss es«, schnappte sie, dann erkannte sie Piet.
    »Liebe meines Lebens«, begrüßte er sie. »Oder sollte ich sagen: meines Todes? Kommst du mit in die andere Welt?«
    »Was soll ich da? Leute beißen und aussaugen?«
    »Du weißt nicht, was dir entgeht«, lachte er. »Du hast nicht die geringste Ahnung.«
    »Ich will es gar nicht wissen!«
    Betrübt schüttelte er den Kopf. »Du hast dich aus allem zurückgezogen, das ist nicht richtig. Du hättest den Dienst nicht quittieren sollen.«
    »Ach nein? Ich hätte Wächterin bleiben sollen – für den Jäger?«
    »Ich diene bloß meinem König«, sagte er. »Wir Soldaten wurden noch nie gefragt, ob wir ihn mögen. Oder ob wir ihn für den richtigen halten. Da Kunun König ist, habe ich ihm zu gehorchen, so wie ich früher Farank gehorcht habe.«
    »Lass mich einfach in Ruhe.«
    »Ich dachte, es würde dich interessieren«, meinte er. »Die Jagd ist eröffnet. Wir bringen die Beute zur Strecke – eine spezielle Beute. Das wird Unruhe geben unter den Schatten. Viele erinnern sich noch gut daran, wie sie aufgetreten ist als Mattims Lichtprinzessin.«
    Mirita erstarrte. »Hanna? Ist sie etwa wieder in dieser anderen Stadt, die ihr verboten ist?«
    »In Budapest, ja. Du solltest es dir einmal ansehen, Mirita, wirklich. Wir sind nicht so tot, dass wir reglos im Grab liegen könnten. Meine Güte, stirbst du nicht vor Langeweile?«
    »Ja«, bestätigte sie rasch, »ja, das tue ich. Erzähl mir mehr. Hanna. Warum ist sie wieder da? Habt ihr im Ernst vor, sie umzubringen?«
    »Natürlich«, sagte Piet. »Befehl des Königs. Mir scheint, er hat noch eine Rechnung mit seinem jüngsten Bruder offen.«
    Sie überlegte fieberhaft. »So tief bin ich noch nicht gesunken, dass ich nicht wüsste, was ich einer echten Lichtprinzessin schuldig bin.«
    »Du würdest dich gegen Kunun stellen? Ist dir klar, was du da sagst?«
    »Wer wäre dabei?«, fragte Mirita. »Wer von der alten Truppe würde mit mir kommen?«
    »Gegen Kunun?« Er starrte sie an. »Gegen den rechtmäßigen König?«
    »Okay, vergiss es.« Wenn Hanna wirklich in Gefahr war, musste man schnell handeln. Aber Mirita kannte sich in der anderen Stadt nicht aus. Alleine gegen die vielen Schatten, die der König ausschicken würde, hatte sie keine Chance. »Du hast recht. Eine dumme Idee. Ich muss mich wohl endlich damit abfinden, wer wir jetzt sind.«
    Sie zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Bis dann, Piet. Du erzählst mir doch, wie es gelaufen ist, ja?«
    Er nickte. Wahrscheinlich blickte er ihr nach, der Idiot. Sie drehte sich noch einmal um und winkte ihm zu. Erst als sie um die Straßenecke gebogen war, begann sie zu laufen.
    Über die Brücke, auf der niemand wachte, die sich verlassen über den Fluss spannte. In den Wald, der schwarz und still auf bessere Tage wartete. Nicht mehr lange, und der Lichtmangel hatte sämtliche Pflanzen abgetötet. Doch vielleicht reichten ihre Wurzeln tief, und sie tranken etwas von dem Wasser, das der Fluss an ihnen vorbeiführte, Wasser voller Licht.
    Mirita hielt sich ans Ufer, als sie zu laufen begann. Mindestens ein Rudel befand sich noch hier im Wald.
    Der goldene Wolf hob den Kopf. Sie hatten im Schatten eines Wäldchens geruht, während die Sonne über ihnen flimmerte, und gedöst. In sich fühlte er die beständige Mischung aus sattem Glück und verzehrendem Schmerz, die jeden Atemzug, jeden Herzschlag begleitete.
    Hanna. Dieses Gefühl, dass sie da war – und dennoch unerreichbar.
    Meistens, wenn er die Augen schloss und horchte, konnte er empfinden, wo sie war und was sie tat. Wenn er in den Schlaf hinüberglitt, konnte er sie in dem ihren finden und ihr dort, im Traum, begegnen. Aber
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