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Magische Insel

Titel: Magische Insel
Autoren: L. E. Modesitt
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neue Granitstufen, aber auch nicht so abgetreten wie bei den alten Gebäuden, zum Beispiel beim Tempel.
    »Ich habe mir schon gedacht, dass du um diese Zeit kommst, Lerris.« Die Stimme meines Vaters trug weit, obgleich sie weder sehr laut noch besonders dröhnend war.
    »Wie schön, dich zu sehen.« Meine Mutter lächelte und meinte es diesmal ernst.
    »Ich freue mich, hier zu sein, auch wenn es nur für eine Nacht ist.« Ich war überrascht, dass ich tatsächlich meinte, was ich sagte.
    »Gib mir den Stab und den Tornister. Sardits Arbeit, wie es scheint. Setz dich. Magst du immer noch Rotbeeren?«
    Ich nickte und schlüpfte aus den Schulterriemen. Mein Vater legte den Tornister behutsam neben einen niedrigen Tisch.
    »Ach, beinahe hätte ich es vergessen. Das obere Paket ist für euch. Tante Elisabets Blätterteigtaschen.«
    Beide lachten.
    »Gut, dass wir nicht näher beisammen wohnen. Sie backt vorzüglich.«
    Meine Mutter schüttelte nur den Kopf und lächelte.
    Seltsamerweise sahen beide älter aus als vor meinem Weggang. Das Haar meines Vaters war nicht dünner und immer noch sandfarben, aber ich sah die Linien, die von seinen Augenwinkeln ausgingen. Sein Gesicht war immer noch glatt. Am Kinn hatte er eine kleine Schnittwunde vom Rasieren. Im Gegensatz zu den meisten Männern in Recluce hatte er nie einen Bart oder Schnurrbart getragen. Ich konnte ihm das nachfühlen. Obgleich ich einen Bart hätte haben können, folgte ich seinem Beispiel. Allerdings nicht blind, sondern weil ich bei der Arbeit stark schwitzte und mich selbst ein kurzer Bart mehr störte als das Rasieren – trotz gelegentlicher Schnitte.
    Mein Vater trug ein kurzärmeliges Hemd, das am Hals offen war. Die Armmuskeln wirkten so stark wie immer. Hinter dem Haus war dreimal mehr Holz aufgestapelt, als nötig war. Vater behauptete stets, dass der Umgang mit der Axt nicht nur notwendig, sondern auch ein gutes körperliches Training sei.
    Das kantige Gesicht meiner Mutter erschien mir noch kantiger, und ihr Haar war zu kurz. Aber sie hatte es immer zu kurz getragen, und ich bezweifelte, dass sie das je ändern würde. Kurz war praktisch und zeitsparend. Sie trug eine verwaschene blaue Bluse mit kurzen Ärmeln und dazu eine winterblaue Hose. Beides war weiblicher, aber eigentlich das gleiche, was mein Vater trug – nicht weil sie darauf Wert legte, eher im Gegenteil. Kleidung war nichts Besonderes. Deshalb nähte auch mein Vater alle Sachen für Mutter und mich – abgesehen vom Feiertagsgewand.
    Vater war seltsam. Er ließ niemanden beim Nähen zuschauen. Er nahm Maß und machte Anproben, bis alles wie angegossen passte, aber niemand durfte dabeisein. Als ich klein war, dachte ich, jemand käme zum Schneidern. Doch im Lauf der Zeit verstand ich, dass er von Kleidung zuviel verstand, als dass er die Arbeit jemand anderem überlassen hätte. Außerdem war es ziemlich schwierig, den Vater nicht für den Schneider zu halten, wenn er mit zugeschnittenem Leder und Stoff in der Werkstatt verschwand und mit den fertigen Sachen wieder herauskam – vor allem wenn es nur eine Tür gab und man als außergewöhnlich neugieriger kleiner Junge nach einem Geheimgang suchte, den es natürlich nicht gab.
    Während ich meinen Erinnerungen nachhing, hatte meine Mutter mir ein großes Glas Rotbeerensaft eingeschenkt. Vater war mit dem Paket Blätterteigtaschen wahrscheinlich in der Küche verschwunden.
    »Wirklich schade, dass du schon morgen in Nylan sein musst«, meinte Mutter, als ich mich auf einem Gurtstuhl ihr gegenüber niederließ. Mir taten die Füße weh, was bei neuen Stiefeln kein Wunder war, aber ich wollte, dass sich Füße und Stiefel so schnell wie möglich anfreundeten.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell ginge.«
    »Manchmal schon, manchmal dauert es mehrere Wochen«, fügte mein Vater hinzu. Wie üblich hatte ich ihn nicht zurückkommen hören. Er bewegte sich immer so lautlos wie ein Schatten.
    »Wie viele … werden dort sein?«
    »Das kommt darauf an. Es könnten nur vier Kandidaten für die Gefahrenbrigade sein, aber nie mehr als ein Dutzend. Und du wirst zwei verlieren, ehe die Meister fertig sind.«
    »Verlieren?« Das klang nicht gut.
    Er zuckte mit den Schultern. »Manche gehen lieber in die Verbannung, als den Meistern zuzuhören. Andere entscheiden sich, lieber wieder zu Hause zu leben.«
    »Können sie das?«
    »Wenn sie die Meister überzeugen können … gelegentlich kommt es schon vor.«
    Nicht sehr oft, wie ich dem Ton
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