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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund
Autoren: Bernd Perplies
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was vorgefallen war. Sie sah ein schönes Haus unweit eines großen Parks – Hyde Park , blitzte es in ihrem Verstand auf. Dann war da auf einmal ein Zimmer mit geblümter Tapete und einem großen Himmelbett, das offensichtlich einer jungen Dame – mir? – gehörte. Und unerwartet hing ein Name vor ihr in der Dunkelheit ihres Bewusstseins: Elisabeth …
    Elisabeth Holbrook …
    Sie betrachtete den Gedanken von allen Seiten wie eine besonders exotische Zierpflanze. Dabei konnte sie sich des nagenden Gefühls nicht erwehren, dass ihr der Name etwas sagen müsste. Mit einer Mischung aus Scheu und Neugierde streckte sie im Geist die Hand danach aus und packte ihn, verleibte ihn sich ein. Und in diesem Augenblick begriff sie: Das bin ich!
    Die Erkenntnis traf sie wie ein Stein, der in einen stillen, spiegelglatten See geworfen wird und diesen in Unruhe versetzt. Die ringförmig sich ausbreitenden Wellen, die dieser metaphorische Stein in ihr auslöste, trieben weitere Bilder vom finsteren Grund ihres Bewusstseins an die Oberfläche. Eindrücke aus ihrem Leben in London gaukelten vor ihrem inneren Auge vorbei. Sie erinnerte sich an die unbeschwerten Tage, die sie mit ihrer Freundin Sarah Harker verbracht hatte. Die spannenden Besuche in der Redaktion des Strand Magazine kamen ihr in den Sinn. Und plötzlich sah sie einen jungen Mann vor sich: dunkelhaarig, mit intelligenten Augen und voll höflicher Zurückhaltung. Jonathan …
    Ein Gefühl von Wärme breitete sich in ihrem Bauch aus. Sie erinnerte sich an einen scheuen Händedruck, einen zärtlichen Blick. Etwas Gutes war zwischen ihnen gewesen – oder hätte es zumindest sein können. Doch weitere Erinnerungen schoben sich in ihr Bewusstsein und trübten das Bild Jonathans: eine wüste Prügelei vor den Augen zahlloser Gäste des Savoy Hotels; ein hektisch abgefasster Brief, der mehr Fragen aufwarf als Antworten bot, Gerüchte von Jonathans Entlassung beim Strand Magazine und einem Streit mit seinem Freund Robert … Das Bild des jungen Mannes wurde grauer und grauer, und ein seltsames Flirren legte sich davor, so als stünde er hinter einem Vorhang aus Regen. Gleichzeitig wurde die Wärme in Elisabeths Bauch immer stärker, nahm eine Note von Wut und Enttäuschung an.
    Und plötzlich verdeckte das Gesicht eines anderen Mannes die Gestalt Jonathans. Wirkte Jonathan auf einmal unerreichbar fern, war dieser Mann ihr viel zu nah. Unter einer breiten Hutkrempe starrten sie die Augen aus Onyx an … Nein, es waren die dunklen Gläser einer getönten Sonnenbrille, und die untere Hälfte des Gesichts verbarg sich hinter einem steifen Mantelkragen. Eine behandschuhte Hand erschien vor ihren Augen, und eine schwarze Klinge glänzte darin, vom unruhigen Flackern einer vielfarbigen Lichtquelle erhellt.
    Angst schnürte Elisabeth die Kehle zu. Zorn und Furcht brannten in ihren Eingeweiden. Jonathan, hilf mir! , schrie sie lautlos. Doch Jonathan war nicht mehr bei ihr. Eine Unendlichkeit trennte sie beide. Er blickte sie an und hob danach eine Hand, um etwas zu betrachten, das darin lag. Erneut richtete er den Blick auf sie. Seine Miene wirkte kalt, fahl und grau.
    Dann wandte er sich von ihr ab …
    Jonathan!!!
    … und der Vermummte rammte ihr die schwarze Klinge in den Bauch, ließ die Hitze darin schmerzhaft explodieren. Elisabeth spürte ihr helles Kleid nass und schwer vom Blut werden, spürte, wie rasende Angst ihren Geist übermannte, die Angst vor dem Tod …
    Keuchend, so als erwache sie aus einem Albtraum, riss sie die Augen auf.
    Aber sie war nicht aus einem Albtraum erwacht. Sie war in einem Albtraum erwacht.
    Vor ihr klaffte der Abgrund zum Inferno. Sie schien hoch oben in der Luft zu schweben. Blassgelbe Dunstschleier umwehten sie, glitzernd und knisternd wie von tausend elektrischen Funken durchsetzt. Irgendwo hinter ihr rollte Donner durch einen endlosen Raum. Wetterleuchten erhellte das düster vielfarbige Zwielicht, das um sie herum herrschte. Tief unter ihr aber, Hunderte von Schritt lotrecht abwärts, starrte sie das riesige Auge eines gigantischen Wirbelsturms an. Schwarzgraue Wolken, von glutroten und dumpfvioletten Strömen durchzogen, ballten sich in widernatürlicher Geschwindigkeit zusammen und zogen dabei in weiten Kreisen um ein trichterförmiges Zentrum, zwischen dessen mahlstromartigen Wolkenwänden gewaltige Blitze hin und her zuckten.
    Elisabeth schrie auf und warf sich herum, als könne sie den furchtbaren Sturz in den Abgrund auf diese Art
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