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Magier unter Verdacht

Magier unter Verdacht

Titel: Magier unter Verdacht
Autoren: Boris Pfeiffer
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zweiten Stock. „Das ist unsere Küche. Und das riecht nach Khorescht-e Fessendschān.“
    „Was ist das denn?“ Addi leckte sich die Lippen.
    „Das Spezialgericht meiner Mutter“, erklärte Ağan. „Sie macht es aus gemahlenen Walnüssen, Lammfleischwürfeln, Granatapfelsirup und Gewürzen. Und dazu gibt es Duftreis mit Safran. Kommt schon!“
    Ağan schnappte sich Goffi und lief durch das Hinterhofparadies auf den Seiteneingang zu. Dann raste er die Treppen nach oben.
    Jenny und Addi setzten ihrem Freund nach.
    Vor der Wohnungstür der Familie Enc waren fein säuberlich mehrere Paar Schuhe aufgereiht.
    Addi schluckte. „Müssen wir etwa die Schuhe ausziehen?“
    „Ja“, nickte Ağan. „Das machen wir immer.“
    Mit einem unwilligen Stöhnen streifte Addi seine Nikes ab. „Ey, zum Glück habe ich heute früh frische Socken angezogen. Und du, Jenny?“
    Jenny stöhnte. „Hey, meine Füße stinken nicht. Ich bin schließlich kein Junge!“
    Ağan lachte und öffnete die Tür.
    Was immer auch Addi, der neugierig über die Schwelle spähte, dahinter erwartet hatte, er sah eine ganz normale Wohnung. „Das sieht ja aus wie überall!“, meinte er überrascht.
    „Na ja, fast. Du wirst schon sehen.“ Ağan führte seine Freunde in die Küche. Dort stand sein Vater und goss Mineralwasser in etwas, das aussah wie eine Schüssel voll Milch.
    Addi bekam fast einen Schluckauf. „Was soll das denn werden?“, platzte er heraus.
    Ağans Vater sah ihn neugierig an. „Du bist wohl Addi. Und du kennst kein Ayran?“
    „Ei-was?“
    „Das ist echter türkischer Joghurt mit Mineralwasser und etwas Salz. Sehr gut bei Hitze und vorzüglich zu allen Lammgerichten. Und ganz besonders zum Khorescht-e Fessendschān meiner Frau, oder, Ghazal?“ Ağans Vater wandte sich fragend um.
    Am Fenster stand eine Frau, die aus einem Topf Basilikum pflückte. Als sie sich umdrehte, verschlug es Addi die Sprache.
    Ağans Mutter war groß und schlank, hatte langes dunkles Haar und trug kein Kopftuch, wie er es erwartet hatte. Ihre Augen leuchteten in einer Farbe, die zwischen Veilchenlila und Türkis schwankte.
    „Magisch“, stammelte Addi. „Voll magisch!“
    „Wie bitte?“ Die Frau kam auf ihn zu und streckte die Hand aus.
    „Öh … ich … guten Tag!“, sagte Addi schnell.
    Seit Addis Mutter seinen Vater verlassen hatte, hatte der ab und zu eine Freundin gehabt, aber außer Emma war kein weibliches Wesen lange bei ihnen geblieben. Und obwohl Addi es sich niemals eingestanden hätte, sehnte er sich sehr nach seiner Mutter. Nach einer Mutter überhaupt … Und Ağans Mutter war die schönste, die er je gesehen hatte.
    Sie wies auf einen Teller mit Fladenbrot und einen mit Schafskäse, der auf Minze- und Korianderblättern lag, zu denen sie jetzt das frisch gepflückte Basilikum streute.
    „Guten Tag, Addi! Wir freuen uns darüber, dass ihr zusammen für die Schule gelernt habt“, sagte sie freundlich. „Rachid und ich sind sehr stolz, dass Ağan dir als guter Freund geholfen hat. Deswegen nehmen wir euch drei den nächtlichen Ausflug auf den U-Bahnhof nicht übel. Aber wir denken, das sollte nicht wieder vorkommen.“
    „Ja, und wenn ihr uns das zusagt, ist es vergeben und vergessen“, stimmte ihr Ağans Vater zu.
    „Klar!“, sagte Jenny schnell. „Das war nur in der Not. Außerdem hat Addi tatsächlich eine Eins geschrieben!“
    Auch sie strahlte Ağans Mutter aus ihren blauen Elfenaugen an.
    Addi schluckte. Jenny und Ağans Mutter waren wie Spiegelbilder in verkehrten Farben. Eine blonde Elfe und eine dunkelhaarige Magierin, die sich jetzt vor seinen Augen die Hände reichten.
    „Zauberhaft“, sagte er.
    Ağan lächelte Addi zu. „Du scheinst empfänglich für die Schönheit der Welt, mein Freund.“
    „Ich, äh … Ja, klar!“
    Ağans Vater lachte schallend. „Bevor euch der Atem aus Gründen, die mir nicht unbekannt sein dürften, vollkommen stehen bleibt, bitte ich euch zu Tisch, meine Gäste!“

Rachid und Ghazal nahmen die Teller mit ins Wohnzimmer und stellten sie auf den Tisch. Addi sah sich um.
    Hier gab es endlich etwas, das nach einer anderen Kultur aussah. Zwei riesige persische Teppiche lagen auf dem Boden, deren leuchtendes orientalisches Muster auch einen Palast geschmückt hätte.
    Auf einem großen Sofa saß ein kleiner Junge mit einem Stück Fladenbrot in der Hand. Stumm sah er Jenny und Addi entgegen.
    „Das ist Karu“, stellte Ağan ihn vor. „Mein Bruder.“
    „Hallo, Kleiner!“,
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