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Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)

Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)

Titel: Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Autoren: Peter Hohmann
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dauern. Das hier war Nordenvaard, die nördlichste Provinz des Reiches. Hier war er geboren, hier hatte er sein ganzes Leben verbracht. Er dachte an ein altes Sprichwort und schmunzelte.
    Bevor einem Nordenvaarder der kleine Zeh abfriert, ist der Rest des Menschengeschlechts schon lange tot …
    Unter den knochigen Ästen des Baumes, den Blick auf die Landschaft gerichtet, ließ es sich gut nachdenken. Er brauchte diese Verschnaufpause, auch wenn die Perle sein ganzer Stolz war – genau wie seine Tochter Laris. Oft zweifelte er daran, dass sie hier, im Nichts aus Eis und Schnee, wirklich zufrieden war. Aber sie beteuerte immer, ihr gehe es prächtig und das Arbeiten am Schanktisch bereite ihr Freude. Jedoch, was war das im Vergleich zu ihren Studien in Vaskalan, der Provinzhauptstadt weiter im Süden, die sie nach dem Tod ihrer Mutter abgebrochen hatte? Was war das Auffüllen von Bierkrügen und das Zubereiten von Fleischeintöpfen verglichen mit den alten Sprachen der Historiker, mit den Rätseln der Vergangenheit, die sie so faszinierten?
    Unweigerlich dachte Gerom zurück an den Tag vor fünf Jahren, an dem er seine Frau Vlaja verloren hatte. Nirgends Schnee, nur das herrliche Grün der Wiesen, die blühenden Bäume … die Vögel in den Ästen zwitscherten zum Himmel, als sängen sie ein Dankeslied an die Natur.
    Und dann, plötzlich, dieses Wiehern, gefolgt vom Krachen des umstürzenden Fuhrwerks, das neues Bier zur Perle brachte. Eines der Fässer erschlug sie. Von einem Moment auf den anderen war sie nicht mehr da.
    So fest saugte Gerom an der Pfeife, dass seinem Mund ein Schmatzlaut entschlüpfte. Obwohl das Kraut noch nicht aufgeraucht war, schmeckte es nicht mehr. Er klopfte die Pfeife am Stamm des Baumes aus, dann ließ er sie in die Tasche seines Mantels gleiten und wartete, bis der Schmerz in seiner Brust nachließ, der sein Herz zu zerreißen drohte. Er wollte nicht, dass Laris seine Trauer bemerkte, wenn er zurückkam, und sich ihre Absicht bei ihm zu bleiben nur aus Mitleid weiter festigte.
    Er blinzelte und rieb sich über die Augen, stierte wieder über die weiße Decke, die ihm mit einem Mal nicht mehr anmutig, sondern grausam vorkam. Unter ihr ruhte Vlaja. Er presste die Kiefer zusammen. Vlaja und einige Geheimnisse. Aber welcher Ort, welcher Mensch hatte die nicht?
    Du bist ein Idiot, Gerom, schalt er sich. Warum musst du nur immerfort daran denken? Quälst du dich gerne?
    Gab es eine Wahl? Jedes Jahr an Reikjol, wenn der Frühling wiederkehrte, wenn alle Menschen den Winter verabschiedeten und das Erwachen der Natur feierten, wiederholten sich die Geschehnisse, als würde ein verwittertes Schaufelrad sie aus den dunklen Tiefen der menschlichen Seele schöpfen. Ja, und manchmal wollte er es auch gar nicht anders: Den Schwur, den er am Sterbebett seines Vaters gegeben hatte, würde er nicht brechen, auch wenn er seitdem auf einem dünnen, wackeligen Brett balancierte, das einen schwarzen Abgrund überspannte. Ein einziger Fehltritt …
    Vor seinem geistigen Auge erschien wieder der Dolch, der so schwer in der Hand lag, die Klinge blutverschmiert …
    Er schüttelte den Kopf, vertrieb die Eindrücke. Gerade wollte er sich abwenden und zurückgehen; irgendetwas allerdings hielt ihn zurück – ein Instinkt vielleicht, oder eine Ahnung. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als sein Blick nun aufmerksam über die Landschaft tastete, über jeden Hügel, jeden Baum, jede Senke.
    Er kniff die Augen zusammen, was zur Folge hatte, dass weiter Entferntes verschwamm. Verfluchtes Alter!
    Doch da! Ein schwarzer Punkt auf der silbernen Schicht.
    Er schluckte.
    Was mochte das sein?
    Ein Kralik?
    Nein, die wagten sich nicht an Ortschaften, sondern lauerten in den Wäldern auf unbedachte Wanderer oder Holzarbeiter. In den fünfzig Jahren seines Lebens hatte Gerom erst ein einziges Mal von einem Todesopfer innerhalb einer Siedlung gehört. Aber das war nicht hier in Eisbach gewesen, sondern in Waldbruch, dem kleinsten der drei Dörfer Wintertals. Aus Gruvak, der einzigen Stadt, machten sich daraufhin zwei Dutzend Soldaten auf, das Biest zu finden und zu töten. Natürlich ohne Erfolg: Ein Kralik war zu gerissen. Er allein entschied, wer ihn zu Gesicht bekam. Eines der Biester schien auf den Geschmack von Menschenfleisch gekommen zu sein. Seit mehreren Jahren fand man jedes Mal an Reikjol eine zugerichtete Leiche, manchmal im Wald, manchmal auf den Feldern …
    Rede es dir nur ein, Gerom, vielleicht glaubst du ja
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