Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magazine of Fantasy and Science Fiction 07 - Musik aus dem All

Magazine of Fantasy and Science Fiction 07 - Musik aus dem All

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 07 - Musik aus dem All
Autoren: V.A.
Vom Netzwerk:
Männer in der Mitte etwas schneller gegangen war, war zwischen dem letzten Mann der Reihe und seinem Nebenmann eine Lücke entstanden, da der ganz außen Stehende an der Mauer geblieben war. Jimsy entschloß sich, diese Lücke zu füllen, einer der Verfolger zu werden, mit ihnen zu gehen, während sie jemanden jagten, der mitten unter ihnen war. Wenn sich herausstellte, daß er nicht mehr da war, würden sie glauben, daß er einen Fluchtweg gefunden hätte. Er zog die Schuhe aus und schlich barfuß auf die Lücke zu. Als sich ihm die Reihe näherte, drehte er sich um und legte seine Hand auf die Schulter des Mannes an der rechten Seite der Lücke. »Euryale«, sagte der Blinde ruhig. Jimsy paßte sich seinem Schritt an und antwortete nichts. »Euryale«, sagte der Mann noch einmal, diesmal deutlicher, und wandte Jimsy das Gesicht zu. Diesmal wandte der Mann an der Wand, der nur wenig entfernt stand, ebenfalls den Kopf in Jimsys Richtung und sagte: »Euryale.« Jimsy fuhr zusammen. Es war ein Losungswort; ein vereinbartes Zeichen, damit die Verfolger vermieden, einander selbst zu fangen. Jimsy nahm die Hand von der Schulter seines Nachbarn und schlüpfte hinter die Reihe dicht zur Wand hin. Sein alter Groll flammte wieder in ihm auf, bis er nicht mehr anders konnte und vor Wut laut auf schrie. Warum mußte das Losungswort ausgerechnet so sein, daß Jimsy es mit seinem mißgestalteten Mund niemals aussprechen konnte? Warum mußte es ein ›l‹ und ein ›r‹ enthalten? Er begann zu glauben, daß sein gefährlicher Plan, sich in die Reihe der Verfolger zu schleichen, bestimmt gelungen wäre, wenn das Losungswort Bo gewesen wäre. Es fiel ihm gar nicht ein, daß diese Männer ihn in gar nicht allzu langer Zeit sowieso entlarvt hätten.
    Der Mann, von dessen Schulter Jimsy die Hand gerissen hatte, stieß einen Schrei aus, und die Kette löste sich auf, als alle in großer Verwirrung auf die Stelle zuliefen, aus der der Schrei gekommen war. Der scharfe Boden schmerzte Jimsy sehr, als er barfuß darüber hinweglief. Er mußte unbedingt seine Schuhe wiederhaben. Er stieß Schreie aus, um noch mehr Verwirrung zu stiften.
    Der Bürgermeister hatte in der Eile zwar seine Armee aufgestellt, aber er hatte nicht mit ihr geprobt. Nachdem die feste Ordnung nun einmal durchbrochen war, vergaßen die blinden Bauern alle Ermahnungen und begannen auf eigene Faust zu suchen. Zwanzig Minuten lang etwa war dies ein leichtes Spiel. Jimsy, der seine Schuhe wiedergefunden hatte, tanzte im Zickzack hin und her und stieß laute Schreie aus, um sie in die Irre zu führen. Die Männer stolperten übereinander, griffen in die Luft, drehten sich nach allen Seiten und stammelten immer wieder »Euryale, Euryale«. Denn trotz ihrer körperlichen Kraft fühlten sich diese einfachen Menschen allmählich entmutigt.
    Der Mann, der gleich hinter dem Bürgermeister gegangen war und jetzt mit einem anderen am Eingang Wache hielt, hörte die Verwirrung so deutlich, als hätte er sie beobachtet. Er entschloß sich, die Sache in die Hand zu nehmen. Mit lauter Stimme forderte er die Bauern auf, zu schweigen; er forderte sie auf, noch einmal eine neue Kette zu bilden, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, und das Innere der Mauern noch einmal durchzukämmen, ohne einen Laut von sich zu geben, ohne eine Lücke zu lassen. Die Männer, die sich wegen ihrer Disziplinlosigkeit schämten, griffen nacheinander, stellten sich an der Wand auf und bildeten eine neue Kette. Diesmal reichte sie von einer Wand zur anderen. Jimsy, der von dem wilden Herumlaufen schwer keuchte, stand an der Tür zu den Wohnräumen. Es kam ihm nicht der Einfall, hineinzugehen. Die bestimmten, langsamen Bewegungen, die sorgfältige Disziplin der Blinden überzeugten ihn endlich davon, daß er ihnen nicht entgehen konnte. Er vermochte nicht über sie hinwegzuspringen; die Art, wie sie nach jedem Schritt stehenblieben und lauschten, ließ den Gedanken, zwischen ihnen hindurchzukriechen, absurd erscheinen. Der Bürgermeister hatte gewonnen.
    Die Aufgabe der Hoffnung ist immer eine Erleichterung für die Nerven. Plötzlich fühlte sich Jimsy ruhig. Er stand genau auf dem Fleck, an dem der alte Edelmann gestanden hatte, als er ihn beinahe in Stein verwandelte, und plötzlich mußte er daran denken, was für eine schöne Statue der Alte abgegeben hätte, hätte er sich nicht so schnell ergeben. Jimsy richtete sich stolz auf. Wenn dies das Ende sein sollte, so sollte die Welt eine edle Steinstatue
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher