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Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter
Autoren: Karen Gravano
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objektiven Licht zu betrachten. Ich musste herausfinden, wer Karen Gravano eigentlich war, abgesehen von meiner Rolle als Tochter von Sammy the Bull. Außerdem musste ich mir darüber im Klaren werden, welchen Anteil ich selbst daran hatte, dass ich nun an diesem Punkt angelangt war.
    Papa versicherte uns, er akzeptiere den Deal ohne Groll, weil es das Beste für die Familie sei. Er war jedoch immer noch sehr wütend und zornig. Er fand es schrecklich, dass seine gesamte Familie in die Sache mit hineingezogen worden war. Ich war es gewohnt, dass mein Vater stets die Ruhe bewahrte, doch hier ging es um seine Familie.
    »Hättest du doch bloß auf mich gehört«, schimpfte er. Dann folgte eine ganze Tirade gemischter Gefühle, und ich kam mir auf einmal ganz schuldig vor.
    Während der ersten fünf Jahre seiner Inhaftierung saß er in Einzelschutzhaft im ADX, einer Hochsicherheitsstrafanstalt in Colorado. Mama besuchte ihn einmal, doch da mein Vater nicht wollte, dass wir ihn unter den dortigen Haftbedingungen zu Gesicht bekamen, besuchte ihn keiner von uns jemals wieder in Colorado. Papa schrieb mir jedoch, und ich schrieb zurück.
    Ich arbeitete weiterhin in dem Schönheitssalon in Phoenix und zog Karen und Nicholas groß, so gut ich konnte. Im Herbst 2004 war ich gerade bei Freunden in New York zu Besuch, als ich erfuhr, dass mein Vater vom ADX ins Metropolitan Correctional Center verlegt werden sollte, wo er vor vielen Jahren zusammen mit John Gotti eingesessen hatte.
    In New York musste er sich wegen des 1980 begangenen Mordes an einem New Yorker Polizisten namens Peter Calabro aus Saddlebrook, New Jersey, verantworten. Ein Mann namens Richard Kuklinski, Spitzname: Der Eismann, war verhaftet und des fünffachen Mordes angeklagt worden. Kuklinski war ein Auftragskiller, auf dessen Konto möglicherweise über zweihundert Morde gingen.
    In seiner Aussage bei der Polizei erwähnte Kulinski im Zusammenhang mit dem Mord an Calabro auch meinen Vater. Er sagte, mein Papa habe ihn angeheuert, Calabro zu töten, und sogar die Tatwaffe, eine Pistole, besorgt.
    Die ganze Anklage stand auf ziemlich wackeligen Füßen: Mein Vater hatte sein eigenes Killerkommando. Warum sollte er jemanden engagieren? Außerdem gab es keinerlei Motiv für dieses Verbrechen. Es sah nicht einmal aus wie ein Attentat im Mafia-Stil. Trotzdem wurde gegen meinen Vater ermittelt, der deshalb in New York untergebracht wurde, als ich gerade in Manhattan zu Besuch war.
    Ich bin fast umgekippt, als Papa in den Besucherraum geführt wurde. Man hatte im Gefängnis die Basedow’sche Krankheit bei ihm festgestellt, und er sah aus wie eine Halbleiche. Er war weiß wie ein Gespenst, und ein paar Zähne fehlten. Der Besuch fing ganz okay an. Er sagte, wie sehr er mich liebe und vermisse, und fragte nach den Kindern. Es dauerte aber nicht lange, da hackte er wieder auf mir herum. Er war immer noch zornig und sagte viele verletzende Dinge. Er gab mir die Schuld an seiner Inhaftierung, weil ich mich geweigert hätte, erwachsen zu werden.
    Er warf mir vor, dass ich mich gegen seinen guten Rat gewehrt hätte, mich mit seiner Assistentin Jen anzufreunden. Ich sei nicht zurück aufs College gegangen. Ich hätte die Augen davor verschlossen, dass Mike Papa ein gefährlicher Betrüger und ein schmieriger Kerl gewesen sei. Im Grunde versuchte er nur, seinen eigenen Standpunkt klarzumachen, auch wenn dies meine Gefühle verletzte. Das Ganze war mehr, als ich verkraften konnte. Ich fühlte mich wegen der Sache ohnehin schon schuldig und konnte nichts daran ändern. Doch er machte immer weiter. Schließlich fand ich den Mut, ihm die Stirn zu bieten.
    »Lass mich dir was sagen, verdammt!«, schrie ich.
    Papa lehnte sich zurück und sah mich an. »Mach nur«, forderte er mich mit gekreuzten Armen heraus.
    »Ich kann nicht alles rückgängig machen, was ich getan habe«, sagte ich wütend. »Ich lebe damit jeden Tag meines Lebens. Wenn ich fünf Jahre hätte absitzen können, hätte ich das getan. Mein Bruder sitzt im Gefängnis…« Ich wollte fortfahren, aber Papa unterbrach mich.
    »Ich könnte kotzen, dass mein Sohn im Gefängnis sitzt. Und ich finde es auch zum Kotzen, dass ich dir den rechten Weg nicht weisen konnte…«
    Diesmal unterbrach ich ihn. »Du konntest uns den rechten Weg nicht weisen, genauso wenig wie deine Eltern dir den rechten Weg weisen konnten. Ich kann nicht ungeschehen machen, was ich getan habe. Ich kann mich nur bei dir entschuldigen. Aber du musst
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