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Männer sind Helden

Männer sind Helden

Titel: Männer sind Helden
Autoren: Jo Berlin , Jeannette Zeuner
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Udo, und ich stimmte ihm freudig zu. Alkohol ist in Schweden nicht bezahlbar und wird nur zu bestimmten Zeiten in staatlich überwachten Geschäften ausgeteilt. Rudi hatte es geschafft, den Whisky in dem Benzinkanister durch die Zollkontrolle im Flughafen zu schmuggeln.
    Wir gingen runter an die Küste, setzten uns auf eine Klippe und ließen den Kanister kreisen. Es war eine mondhelle Nacht. Im Wasser waren phosphoreszierende Lebewesen zu sehen; winzige, hellgrüne Pünktchen, die durch die Strömungen des Meeres durcheinander gewirbelt wurden. Obwohl es tagsüber sommerlich heiß wurde, kühlte es abends sehr schnell ab, aber der Alkohol wärmte uns von innen. Andächtig blickten wir in den Himmel. „Was wohl unsere Frauen jetzt machen?“, fragte Rudi.
    Keiner von uns war fähig, sich gedanklich nach Hause zu versetzen, die neuen Erfahrungen nahmen uns ganz gefangen. Wir plauderten über die vergangenen Tage, locker und unverblümt, wie es nur unter Männern möglich ist. Leicht beschwipst und fröhlich kehrten wir zum Haus zurück.
    Am nächsten Tag bereitete Reiner uns auf das Überlebenstraining in der Wildnis vor. Er zeigte uns, wie man mit einer selbstgebauten Angel, an der ein Schwimmer aus Kork befestigt war, Fische an Land ziehen konnte. Wir standen am Rande des Sees und beobachteten den Schwimmer, der still auf der Wasseroberfläche lag: „Wenn ein Fisch in die Nähe kommt, wird er sich bewegen, aber dann dürft ihr die Angel auf keinen Fall hochziehen“, erklärte uns Reiner. „Ihr müsst den richtigen Moment abpassen, nämlich dann, wenn der Fisch zubeißt.“
    Es dauerte fast ein Stunde, bis der erste Fisch anbiss. Reiner reagierte schnell: Er zog die Leine aus dem Wasser, nahm den zappelnden Fisch in die Hand und entfernte vorsichtig den Haken aus dem Maul. Dann legte er das Tier auf einen flachen Stein, tötete es mit einem gezielten Schlag hinter den Kiemen, und nahm es sofort aus. Die Eingeweide warf er zurück ins Wasser.
    Bis jetzt hatte ich Fisch immer nur in leckerer Soße oder paniert auf dem Teller gesehen. Ich zweifelte, ob ich in der Lage war, meine Mahlzeit eigenhändig zu töten und zuzubereiten.
    Nach dem Mittagessen – es gab gebratene Heringe und Salzkartoffeln – hielt Reiner einen Diavortrag über die Pflanzen- und Tierwelt in Schweden. Er erklärte uns, welche Beeren und Pilze essbar und welche giftig seien. Über gefährliche Wildtiere müssten wir uns keine Gedanken machen. Elche seien friedliebende Tiere, solange man sie nicht reize. Braunbären lebten vor allem in Härjedalen, und Wölfe habe man schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen.
    Als es dunkel wurde, trafen wir uns alle auf der Waldlichtung, um gemeinsam ums Feuer zu tanzen. Diesmal warfen wir ohne zu zögern unsere Kleider beiseite und beschmierten unsere nackten Körper mit farbigem Lehm. Reiner malte verschiedene Symbole auf unsere Haut, deren Bedeutung er jedoch verschwieg. Er sagte nur: „Dadurch wird die Kraft des Urmannes endgültig zum Leben erweckt.“
    Was unser Geschrei anging, waren wir dem Urmann auf jeden Fall ganz nahe gekommen. Wir schrieen uns die Seele aus dem Leib: „Aaaaaahhhh, Ooooohhhhh, Jaaaaaahhhh“, tanzten wie die Wilden und suhlten uns im weichen Waldboden. Geschäftsführer Frank hatte sich in den letzten Tagen vollkommen verändert: Seine Augen waren fast immer weit aufgerissen, und er hatte sich einen Bart wachsen lassen. Ein anderer Typ, der normalerweise in einem Pharmakonzern den Ton angab, hörte ganz andere Stimmen: „Der Berg ruft!“, brüllte er.
    Ein großer Kerl mit braunem struppigen Haar wollte sich mit einem Bären anlegen, ein anderer bis nach Dänemark schwimmen.
    Rudi, Udo und ich waren nicht ganz so euphorisch. Wir hofften nur, dass wir die kommenden vier Tage überstehen würden.
    Früh am nächsten Morgen ging es los. Wir drei durften uns zusammen auf den Weg machen, die anderen wurden in Zweier- und Vierergruppen aufgeteilt. Reiner übergab uns eine Landkarte: „Dort ist der Weg eingezeichnet, den ihr zu Fuß gehen sollt. Wenn ihr an die Küste kommt, könnt ihr euer Kanu zu Wasser lassen und eine Insel ansteuern. In vier Tagen müsst ihr wieder zurück sein. Wenn nicht, wird niemand nach euch suchen. Sonst wäre es ja kein richtiges Überlebenstraining.“
    In unseren Rucksäcken befanden sich etwas Proviant, Schnur, Wasser, ein Kompass, Zündhölzer und Lotion gegen Mückenstiche. Reiner wünschte uns viel Glück, dann kümmerte er sich um eine andere
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