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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben
Autoren: Emily Giffin
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als wäre ich einfach so berechenbar. Dann fragt er, ob ich allein bin.
    Geht dich nichts an , will ich sagen, aber stattdessen geht mein Mund auf, und ich serviere ihm ein schlichtes, einfaches, einladendes «Ja». Wie einen einzelnen weißen Dame-Stein, der sich an einen schwarzen Doppeldecker heranschiebt und nur darauf wartet, übersprungen zu werden.
    Und richtig, Leo sagt: «Gut. Ich komme. Rühr dich nicht von der Stelle.» Dann ist er weg, bevor ich antworten kann. Ich klappe mein Telefon zu und gerate in Panik. Mein erster Gedanke ist, einfach aufzustehen und zu gehen. Aber ich verbiete mir, feige zu sein. Ich kann es aushalten, ihn wiederzusehen. Ich bin eine erwachsene, stabile, glücklich verheiratete Frau. Wieso ist es ein Problem, mich mit einem Ex-Freund zu treffen und eine kurze, höfliche Unterhaltung zu führen? Außerdem, wenn ich wegliefe, würde ich dann nicht ein Spielchen spielen, das ich nicht zu spielen habe? Eins, das ich schon vor langer Zeit verloren habe?
    Also fange ich an, meinen Bagel zu essen. Er schmeckt nach nichts – höchstens nach Watte –, aber ich kaue und schlucke und denke daran, zwischendurch immer ein Schlückchen Kaffee zu trinken. Ich gestatte mir nicht noch einen Blick in den Spiegel. Ich werde mir nicht die Lippen nachziehen, ich werde nicht mal nachsehen, ob ich Essensreste an den Zähnen habe. Soll doch ein Mohnkörnchen zwischen meinen Schneidezähnen klemmen. Ich brauche ihm nichts zu beweisen. Und mir selbst auch nicht.
    Das ist mein letzter Gedanke, bevor ich sein Gesicht hinter der regennassen Scheibe in der Tür des Restaurants sehe. Mein Herz fängt wieder an zu klopfen, und mein Bein wippt auf und ab. Es wäre jetzt nett, einen von Andys Betablockern zu haben – harmlose Pillen, die er nimmt, ehe er vor Gericht auftritt, damit er keinen trockenen Mund bekommt und damit seine Stimme nicht zittert. Er behauptet hartnäckig, er sei eigentlich nicht nervös, aber irgendwie lassen seine körperlichen Symptome einen etwas anderen Schluss zu. Ich sage mir jetzt auch, dass ich überhaupt nicht nervös bin. Mein Körper lässt einfach meinen Kopf und mein Herz im Stich. Das kommt vor.
    Ich sehe, wie Leo kurz seinen Schirm ausschüttelt und sich dabei im Lokal umsieht. Er schaut an Annie vorbei, die den Boden unter einem Tisch wischt. Er sieht mich nicht sofort, und aus irgendeinem Grund gibt mir das ein unbestimmtes Gefühl der Macht.
    Aber damit ist es sofort vorbei, als er mich ansieht. Ein kleines, kurzes Lächeln, und dann senkt er den Kopf und kommt zielstrebig auf mich zu. Sekunden später steht er an meinem Tisch und zieht den schwarzen Ledermantel aus, an den ich mich so gut erinnere. Mein Magen hebt sich, stürzt ab und kommt wieder herauf. Ich habe Angst, er könnte sich herunterbeugen und mir einen Kuss auf die Wange geben. Aber nein, das ist nicht sein Stil. Andy küsst mich auf die Wange. Leo hat es nie getan. Wie es seine Art ist, lässt er alle Formalitäten beiseite, schiebt sich mir gegenüber auf die Bank und schüttelt einmal, zweimal den Kopf. Er sieht genauso aus wie in meiner Erinnerung, nur ein bisschen älter und irgendwie kühner, impulsiver; sein Haar wirkt dunkler, seine Schultern kräftiger, sein Kiefer kantiger. Ein krasser Kontrast zu Andys feingeschnittenen Gesichtszügen, seinen langen Gliedmaßen, seinem hellen Teint. Andy ist behaglicher anzusehen, glaube ich. Andy ist behaglicher, Punkt. So, wie ein Strandspaziergang behaglich ist. Ein Schläfchen am Sonntagnachmittag. Ein runder Zapfen in einem runden Loch.
    «Ellen Dempsey», sagt er schließlich und schaut mir in die Augen.
    Einen besseren Eröffnungssatz hätte er mir nicht bieten können. Ich stürze mich darauf und starre in seine braunen Augen hinter dem schwarzen Brillengestell. «Ellen Graham », verkünde ich stolz.
    Leo runzelt die Stirn, als bemühe er sich, meinen Nachnamen irgendwo unterzubringen, obwohl er ihn auf der Stelle mit Margot verbinden müsste, die meine Zimmergefährtin war, als wir zusammen waren. Aber anscheinend fällt ihm der Zusammenhang nicht ein. Das sollte mich nicht überraschen. Leo hat nie etwas daran gelegen, viel über meine Freunde zu erfahren – und für Margot hatte er überhaupt nichts übrig. Das beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit. Nach meinem ersten großen Streit mit Leo, der mich in ein Rotz und Wasser heulendes Wrack verwandelte, nahm Margot die einzigen Bilder, die ich damals von ihm und mir hatte, einen Streifen schwarzweißer
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