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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Andeutung eines Nickens und strich mit ihren Händen über den weißen Leib.
    »Vivian v. Rothen«, sagte sie. Ihre Stimme klang, als sänge sie die Worte. »Ich glaube, wir werden uns gut verstehen. Ich wohne auf Zimmer 6. Ich lese gern und singe. Ich habe sogar eine Laute bekommen. Singst du auch?«
    »Ja –«, sagte Monika verblüfft.
    Neben ihr seufzte Hilde Marchinski. Sie spülte die Seife ab. »Wie ich den Willi vermisse«, sagte sie, und es war wie ein lautes Knirschen der Zähne.
    In der Tür erschien Julie Spange. »Raus!« rief sie. »In zehn Minuten wird gegessen! Immer diese Bummelei!«
    Monika Busse steckte den Kopf und die brennenden Augen in eines der Becken. Dann drehte sie den Hahn auf und ließ kaltes Wasser über Nacken, Haare und Gesicht laufen. Eiskaltes Wasser, das sie erzittern ließ.
    Ein halber Tag ist um, dachte sie. Und 364 Tage werden folgen. Wie werden sie sein –?
    Der Fuhrunternehmer Hans Busse wohnte in einem hohen Mietshaus in der Friedrichstraße 43. Seine Wohnung bestand aus vier Zimmern und Küche, die Einrichtung war bürgerlich-bieder, und was Erika Busse mit dem wenigen Geld, das ihr Mann ihr gab, an Gemütlichkeit schaffen konnte, hatte sie getan. Sie besaßen einen Fernsehapparat, eine Musiktruhe, eine Waschmaschine, eine Couchdecke, einen Kunstfaserteppich, eine Küchenmaschine und einen 150-Liter-Kühlschrank.
    Vor sieben Jahren hatte sich Hans Busse selbständig gemacht. Vorher fuhr er bei einem Großunternehmer einen Lastzug von Hamburg bis Passau und von Köln bis Lübeck, hatte eine Million Straßenkilometer auf dem Buckel, die Goldmedaille für unfallfreies Fahren und war Schriftführer in der Ortsgruppe der Fernfahrergewerkschaft. In diesen Jahren des Straßenlebens hatte er wenig Zeit gehabt, sich um die Erziehung seiner einzigen Tochter Monika zu kümmern. Aber das war auch nicht nötig, denn Monika wuchs unter den Armen Erikas als ein braves, stilles, freundliches Mädchen auf, dessen Wunsch es war, einmal – wenn es Hans Busse zusammenfuhr – auf eine Kunstakademie zu gehen, um sich als Graphikerin ausbilden zu lassen. Sie war die beste Zeichnerin der Schule, und während andere Mädchen mit vierzehn Jahren an den Ecken standen und sich von siebzehnjährigen Burschen abknutschen ließen, hockte sie in ihrem Zimmer und malte. Blumen, Landschaften, Menschen … mit einer zarten Linienführung, fast hingehaucht, der alten japanischen Malerei verwandt, die ein Hauch spinnwebenfeiner Schönheit ist.
    Dann kam buchstäblich über Nacht das Glück zu den Busses. Hans Busse gewann im Lotto. Nicht im ersten Rang, sondern 32.000 Mark im zweiten Rang. Nach zwei durchsoffenen Nächten saß man dann um den viereckigen Wohnzimmertisch, wühlte in bunten Autoprospekten und Busse verkündete: »So, meine Lieben … nun beginnt erst das Leben für uns! Papa macht sich selbständig. Ich kaufe mir einen Kleinlaster und mache Stadt-Schnelltransporte. Ihr sollt sehen … in zwei, drei Jahren habe ich einen eigenen Lastzug laufen. Bin doch Fachmann darin, Leute!«
    Pläne sind bei kleinen Leuten immer Illusionen. Nur wer schon genug Geld hat, kann erfolgreich planen. Das spürte auch Hans Busse. Wohl schlug er sich mit seinem Kleinlaster durch den Alltag, fuhr täglich zehn Stunden durch die Stadt, machte kleine Umzüge, bekam durch seine alte Freundschaft einen Vertrag mit der Güterabfertigung und machte Bahnspedition, fuhr dreimal in der Woche zur Markthalle und brachte Gemüse und Obst herum … aber zu einem Lastzug reichte es nie. Die Busses waren froh, in gewissen Grenzen sorglos leben zu können. »Und ich bin mein eigener Herr, Erika!« sagte Hans Busse immer, wenn die Stimmung einmal trüb war. »Was das wert ist, kann man gar nicht bezahlen!«
    Monika besuchte nicht die Kunstakademie. Dazu reichte es nicht bei Busse, und ein Stipendium bekam sie nicht, weil sie wohl begabt, aber verbindungslos war. So lernte sie Verkäuferin in einem Textilgeschäft, machte ihre Handlungsgehilfenprüfung mit der Note gut und lernte bei einem Tanzabend den Maler und Anstreicher Rolf Arberg kennen. Ein netter, hochaufgeschossener Mann, höflich und ein wenig gehemmt in Gegenwart von Mädchen, linkisch und auch beim Tanz nicht gerade gelenkig. Aber er besaß schöne Augen, und wenn er Monika stumm anblickte, atmete sie schneller und ein Kribbeln zog ihr vom Nacken über die Schulter bis zur Brust.
    Vater und Mutter Busse sahen dieser Freundschaft nicht ablehnend zu. Ein Malermeister ist
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