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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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se hübsch geworden! 'ne Brust hat se jekriegt!« Er schielte zur Seite auf Lotte Marchinski und verzog das Gesicht. »Keene Fell-Lappen, wie andere –«, fügte er giftig hinzu.
    »Schnauze!« Lotte kniff die Augen zusammen. Sie kannte ihre Tochter. Wie sie geht, dachte sie. Wie sie uns entgegensieht. Das ist keine Freude, o nein – das ist Kampf. Das gibt 'ne harte Nuß. Aber ich haue ihr ein paar runter, wenn sie frech wird. Ich reiße ihr die roten Ziegel aus, diesem Hurenstück. Noch bin ich ihre Mutter.
    Sie bedauerte, nicht noch einen Schluck Schnaps trinken zu können, um sich Mut zu machen. Statt dessen versuchte sie ein Lächeln, als Hilde vor ihr stehenblieb und sie kalt musterte.
    »Was willst du hier?« fragte Hilde laut. Und dann zu Pfeifen-Willi: »Und du, du Saustück?! Hau ab, sag ich! Ich kotze, wenn ich dich nur sehe!«
    »Püppchen –«, sagte Willi breit.
    »Piß dir nich auf die Schuhspitzen, Kerl!« Hilde wandte sich zu ihrer Mutter. »Sag deinem Bettwärmer, er soll verschwinden!«
    »Hilde!« Lotte Marchinski ballte die Fäuste. »Ick bin jekommen, um dir in allen Ehren abzuholen. Kind wat tuste mit uns? Uns beleidigen! Ist det Tochterart?«
    »Ich komme nicht mit. Ich bleibe.«
    »Aba du bist doch entlassen!«
    »Ich bleibe.«
    »Freiwillig?«
    »Ja.«
    »Im Knast?«
    »Auf dem Gut.«
    »Det Kind is verrückt!« Lotte sah hilfesuchend zu Pfeifen-Willi. Der grinste breit und wippte auf den Fußspitzen.
    »Ick wüßte, wie se mitkommt!« sagte er breit. »Ick könnt ihr ja mal wat zeigen, wat se lange nich jesehen hat. Det wirkt wie'n Magnet –«
    Hilde antwortete nicht. Sie holte nur aus und hieb Willi mitten ins Gesicht. Er machte einen Satz nach hinten, stolperte und fiel auf die Erde. Lotte schrie leise auf.
    »Da, nimm ihn mit, den Rückenmarklosen!« sagte Hilde laut. Und plötzlich fuhr sie vor und hob beide Fäuste. »Und laßt mich in Ruhe!« schrie sie grell. »Laßt mich für immer in Ruhe! Ich will dich nicht mehr sehen! Nie mehr! Und wenn du wiederkommst … bei Gott, ich schwöre es dir: Ich erschlage dich! Ich mache dich kalt, du Hurenaas! Und wenn ich dafür lebenslänglich bekomme! Ich will dich nicht mehr sehen –«
    Sie wandte sich ab und rannte in den Hof zurück. Ihre roten Haare flatterten hinter ihr her … es sah aus, als brenne ihr Kopf.
    Pfeifen-Willi hatte sich vom Boden aufgerappelt und ergriff den Arm der erstarrten Lotte Marchinski.
    »Komm, Lotte«, sagte er schwer atmend. »So is det nun. Dank jibt es nicht von de Kinder. Laß se loofen. Wat soll se denn bei dir?«
    »Jeld verdienen, du Rindviech!« schrie Lotte. »Ick mach noch zwee Jahr – und dann? 'ne Mumie will keener mehr! Det janze Lebensabend-Geschäft hat se uns vermasselt! Aba ick werde eenen Antrag stellen auf Unterhalt! Ick jebe nich auf!«
    »Blödsinn!« Willi zog die keifende Lotte Marchinski vom Tor weg zu dem kleinen Mietwagen, mit dem sie gekommen waren, um ihren Ernährer abzuholen. »Gegen de Behörden läufste wie gegen 'ne Mauer.«
    »Imma wir Armen!« schrie Lotte und schüttelte die Fäuste gegen das Gut Wildmoor. »Imma wir! Mit uns kann man's ja machen! Verdammt noch mal!«
    Sie griff in die Handtasche, zog eine Flasche hervor, schraubte sie auf und setzte sie an den Mund. Dann seufzte sie, streckte die Zunge aus und sagte mit aller Verachtung, der sie gegen die Gesellschaft fähig war: »Scheiße!«
    Nach dieser Entladung ihres tiefsten Gefühls konnte sie Pfeifen-Willi in den Wagen zerren und die Tür zuwerfen.
    »Wat nun?« fragte Lotte und lehnte den Kopf gegen das Rückenpolster. »Wie kriege ick nu die Miete für zwei Monate zusammen?«
    »Wir müssen 'n Ding drehen.« Willi startete und fuhr langsam über die Zufahrtstraße auf die Provinzialchaussee. »Es jeht eben weiter wie bisher, Lottekind. Du nimmste die Kerle mit uff de Bude, und ick sehe ihnen die Brieftasche nach. Det war noch imma 'n Jeschäft. Deine Hilde, die is für uns jestorben. Abjesoffen. Wird 'n anständiges Mädchen. Pfui Deibel!«
    Vom Fenster des Verwaltungsgebäudes sah Hilde, wie der kleine Wagen sich über die Provinzialstraße entfernte und kleiner und kleiner wurde. Ihre graugrünen Augen waren starr, und wenn sie auch nicht weinte … es war ihre Mutter, die dort wegfuhr. Für immer. Es war der letzte Hauch eines verfehlten Lebens … und doch ein Stück Jugend.
    Die Tür war zugeschlagen.
    Sie drehte sich um, als hinter ihr ein Geräusch aufklang.
    Dr. Schmidt stand im Zimmer, in der Hand ein
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